Rumänien aktuell - Proteste im ganzen Land
Das, was schon zu Jahresbeginn in Bukarest begonnen hat, hat sich auf das ganze Land ausgebreitet. Am 18.1.2025 wurden in allen Kreisstädten vor der Präfektur (= Kreisverwaltung) Demonstrationen organisiert, die allesamt gut besucht waren. Vor der Präfektur deshalb, weil der Präfekt von der Regierung in Bukarest bestimmt wird.
Ich habe vor dieser Demo in facebook zur zahlreichen Teilnahme aufgerufen:
(übersetzt)
Aufruf zur Demo 18.1.2025
GROSSE DEMONSTRATION AM SAMSTAG, DEN 18.1.2025 UM 14 UHR IN HERMANNSTADT VOR DER PRÄFEKTUR!
In Bukarest haben die letzte Woche schon zehntausende Leute demonstriert. Nun geht diese Bewegung auch in die Provinz. Aus mehreren Kreisen kommen die Leute nach Sibiu.
Worum geht es:
Die NATO hat sehr wohl registriert, dass das Volk so gewählt hat, dass bei der Stichwahl zum Präsidenten von Rumänien einer der beiden Kandidaten nicht bedingungslos hinter der NATO steht, speziell wenn es zu einem Kriegsaufruf und zum militärischen Einsatz in einem fremden Land geht.
Daraufhin wurden von der NATO alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt, um das zu verhindern. Herr Johannis, der ein großer Befürworter der NATO ist, genauso wie die amtierende Regierung aus PNL, PSD, USR etc., haben dann über das Oberste Verfassungsgericht den zweiten Wahlgang annuliert. Die Begründungen des Verfassungsgerichtes und auch in der Sitzung des Präsidenten sind ein juristischer Hohn und ähneln der Methode unter Ceausescu.
Wogegen wird demonstriert:
Es geht hier nicht darum, um irgendeinen Kandidaten der Präsidentschaftswahl zu unterstützen, es geht um das demokratische Recht der Bürger, dass der Wille des Volkes in Form einer Wahl respektiert wird. Es geht rein um das Prinzip, dass das Volk bei der Wahl entscheidet und nicht die beiden Parteien, deren langer Arm bis ins Verfassungsgericht reicht. Schließlich sind von den 9 Richtern im Verfassungsgericht 4 von der PNL und 4 von der PSD entsandt.
Es geht um das Grundprinzip einer funktionierenden Demokratie, dass die Legislative, die judikative und die Exekutive unabhängig voneinander in einem Staat tätig sind, ohne politischen Einfluss. Genau das aber versuchte man über das Verfassungsgericht auszuhebeln.
Bertolt Brecht, ein überzeugter Kommunist und Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus sagte einmal:
"Wenn Unrecht zu Recht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht."
Jeder rumänische Staatsbürger muss nun darüber nachdenken, was ihm in diesem Land wichtig ist. Mir könnte es eigentlich egal sein, denn als Ausländer habe ich weder zum Parlament noch zum Präsidenten ein Wahlrecht. Aber ich mache trotzdem mit, im Interesse aller Rumänen und der anderen Volksgruppen, denen demokratische Verhältnisse wichtig sind.
Jedem muss klar sein, dass in dem Moment, wenn das Recht nach Gutdünken der politischen Parteien verbogen werden kann, das der Anfang vom Ende einer Demokratie ist. Das hat man klar bei der Entwicklung des Nationalsozialismus gesehen.
"Wehret den Anfängen", das muss jedem klar sein. Und Schweigen wird in der Politik immer als Zustimmung interpretiert.
Die Videoausschnitte von vielen Kreisstädten kann man hier finden, auch vor dem Konsulat in Stuttgart wurde demonstriert:
https://www.facebook.com/groups/1312186026434868
Auch ich habe in Hermannstadt aus Solidarität mitdemonstriert. Mit meinem üblichen Schild, dass Rumänien aus der NATO durch Volksentscheid austreten und neutral werden soll.
https://www.facebook.com/groups/1312186026434868/posts/1387150558938414/
Die Zustimmung auf meinen darauffolgenden Kommentar in facebook war sehr hoch. Ich habe meinen Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass nur wenige aus unserer Stadt bei der Demo anwesend waren:
(übersetzt)
Ich war in Hermannstadt. Es war zwar kalt, aber ich bin extra von Mediasch nach Hermannstadt zu diesem Zweck gefahren und habe an der Demonstration teilgenommen. Auch, wenn ich vielleicht einer der ältesten Teilnehmer bei dieser Demo war. Ich habe das aus Überzeugung und aus Solidarität mit den Rumänen getan.
Ich erinnere mich an einen berühmten Ausspruch eines bekannten deutschen Journalisten mit Namen Henryk Broder. Im Rahmen einer Diskussion mit Jugendlichen, als er gefragt wurde, wie das denn damals möglich war, dass man im Nationalsozialismus ein ganzes Volk wie die Schafe in eine Richtung treiben konnte, bis zum Abgrund, ohne, dass die Leute dagegen was unternommen haben, da meinte er:
"Ganz einfach: Weil sie damals genauso waren, wie Ihr heute seid!"
Deshalb meinen Aufruf an alle, die zuhause geblieben sind:
Bleibt auch in Zukunft zuhause, versteckt Euch hinter dem Ofen und krault Eurer Oma die Schamhaare. Bis man Euch die gesamten Rechte weggenommen hat, die in einer Demokratie notwendig sind. Denn damals, als es noch Zeit war, also am Anfang, habt Ihr geschwiegen.