Danke für deinen Bericht. Menschen gehen unterschiedlich damit um. Das Nervensystem ist nicht bei allen gleich. Meine Mutter war damals noch sehr jung. Sie reagierte mit Magersucht, die sie fast ins Grab brachte und mit einer Herzneurose (plötzlich auftretende Angstanfälle, Atemnot, Todesangst).
Sie hat trotzdem 5 Kinder auf die Welt gebracht und viel gearbeitet. Ich habe mit 2 Jahren das erste Mal einen solchen Anfall mitbekommen - alleine mit ihr. Später wußte ich, was man tun mußte, um ihr in solchen Situationen zu helfen. Mein Vater hat mich umgehend trainiert. Die Angst wurde sie nie los. Verdrängt hat sie alles "wir hatten keine Nazis im Dorf" (aber den Vater haben sie verstecken müssen obwohl "es keine Nazis gab") ....
Reden konnte man mit ihr nicht über diese Zeit. Sie war fröhlich... Ihr Mind hatte sich einen Kokon gebaut und der durfte nicht zerrissen werden. Sie konnte sie weitermachen. Ich war die Älteste und hatte von klein an erhebliche Verantwortung.... bis zu den 4 jüngeren Geschwistern. Später kamen die zu mir, wenn sie Problme hatten...... jedenfalls so lange ich zu Hause lebte. So ist das, wenn die Mutter viel krank ist. Ich bin dann mit 20 ins Ausland gegangen.... ziemlich weit weg
Dinge laufen unterschiedlich ab. Ich hatte meiner Mutter immer zu viel Energie. Sie kam damit nicht zurecht. Aber meine Schwester, die sehr krank auf die Welt kam, wurde von ihr hingebungsvoll gepflegt. Diese hat später selbst 5 Kinder auf die Welt gebracht..... So vererben sich die Dinge
Butollo, München hat übrigens ein interessantes Buch mit Fallbeispielen veröffentlicht. Es geht um Folgen der Nazizeit in Familien, wo die Großeltern betroffen waren. Großeltern und Elterngeneration schafften es, alles gut zu verdrängen und lebten "normal"...... die Enkelgeneration bekam dann plötzlich Symptome..... Ist wie eine Kriminalgeschichte, die Rekonstruktion der Abläufe. Gerade, wenn deine Familie betroffen war, dann könnte es interessant sein. Betroffen = Täter oder Opfer.
In der Schule wurden wir malträtiert mit dem ganzen Schuldkult. Ich wurde daraufhin natürlich renitent.... Jahr später, als ich in der Bibliothek der UCLA, CA lernte, wurde ich von zwei jungen Männern angesprochen. Sie fragten mich, ob ich Deutsche sei. Auf meine Frage warum, meinten sie, dass sie mich tagelang beobachtet hätten und der Überzeugung seien, dass es nur Deutsche sein können, die so lange und so konzentriert arbeiten. Sie kamen mir komisch vor. Kurz darauf fingen sie an, zu fragen, ob es stimmt, dass wir in D nichts über den Holocaust lernen. Ich bin ihnen fast ins Gesicht gesprungen vor Empörung und sagte, "wir werden ertränkt" in diesen Sachen. Es waren zwei amerikanische Juden. Ein kurzes Intermezzo, das mir bis heute in der Erinnerung geblieben ist.... wenn das "Thema" angesprochen wird. Auch die Unverschämtheit, mein konzentriertes Arbeiten mit "nur Deutsche" zu bezeichnen, empört mich noch heute. Ich arbeitete an einem Thema das mich faszinierte und war extra in die USA gereist, um näher an der Quelle zu sein. Bei Faszination ist Konzentration eine unmittelbare Folgeerscheinung. Ich fragte mich, was die überhaupt an der Uni tun, wenn sie so etwas erstaunt.
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