Lieber Mephistopheles,
danke dafür, dass Du Dich trotzdem überwunden hast etwas zu schreiben, denn ich denke wir finden einen gemeinsamen Nenner. Sorry, wenn ich wieder viel Text schreibe und ich bitte Dich um Geduld beim Lesen, wenn sich manches aus verschiedenen Blickwinkeln wiederholt. Aber ich weiß, dass wir an einem ganz wichtigen Punkt angekommen sind und jeder Leser möge es verstehen.
Ich habe diesen Begriff "Ware" sehr bewusst gewählt und zwar deshalb, weil Geld erstens lange Zeit reine Waren waren und weil sich Geld auch heute exakt wie eine Ware verhält. Ich will das hier genauer erklären.
Das Jagd- und Ernte-Abgaben sich wie Geld verhalten, hatten wir schon besprochen. Das solange wir Metallgeld hatten dieses Geld immer auch eine Ware war, ist ja wohl unstrittig. Aber das ist ein Randthema. Das wichtige bei einer Ware ist: Es gibt einen Marktplatz und sie reagiert sie auf Angebot und Nachfrage.
Warum waren Zigaretten und Schnaps in der Nachkriegszeit das am meisten genutzte Ersatzgeld?
Weil es eine hohe Nachfrage nach Zigaretten und Schnaps gibt und weil beide Waren dauerhaft verbraucht, aber von den Süchtigen stets nachgefragt werden. Jeder der Zigaretten gespart hatte, wusste, solange sie knapp blieben, würde er stets Abnehmer finden. Der Entzugs-Schmerz des Süchtigen sorgte, anders als bei sonstigen Waren, dafür, dass es diese stetige, hohe Nachfrage gab, die auch bei hoher Knappheit an verfügbaren Tauschmitteln, erhalten blieb.
So kommen wir jetzt zum Geld. Wenn Du den Blickwinkel änderst. Wenn du heute eine Ware kaufst, sagen wir ein Auto, dann ist das stets ein Warenpaket, aus dem Auto und der Steuer. Der Käufer befriedigst die Nachfrage nach dem Auto und die Nachfrage nach Geld, die der Staat an dich stellt. Die meist gekaufte aller Waren in Deutschland ist die Mehrwertsteuer. Es gibt deshalb eine hohe Nachfrage nach der Ware Geld, weil Du musst viel mehr Arbeitsleistung anbieten, weil du nicht nur den Autohersteller bezahlen musst, sondern auch beim Staat, seine "Mehrleistung" kaufen musst.
Genauso geht das dem Arbeitgeber. Der muss nicht nur den Mitarbeiter bezahlen, sondern auch noch den "Lohnsteuer-Arbeiter". Aber dafür muss er vorher mehr Geld einnehmen, also beschaffen. Geld ist die am meisten nachgefragte Ware, die es gibt.
Und genau und NUR deshalb ist Geld so ein gutes Wertaufbewahrungsmittel, weil es NUR nach Geld so eine hohe Nachfrage gibt. Alle Anhänger des Goldstandards haben gedacht, mit der Ablösung vom Gold müsste der Dollar wertlos werden. Nein, ist er natürlich nicht. Es gibt eine immense Nachfrage nach Dollar, die bei Nichtlieferung bestraft wird. Es gibt viel mehr Menschen, nämlich alle in Deutschland, die nach der Ware "Geld" süchtig sind, als nach "Schnaps" und "Zigaretten". Natürlich kann man das als Schuld-Tilgungsmittel betrachten. Das ist rückwärts gedacht, denn die Leute jagen erst dem Geld nach, um dann zu kaufen und (teilweise noch später) zu bezahlen. Oder der Unternehmer borgt sich zunächst Geld, um kaufen und zu bezahlen, um dann noch mehr Geld nachjagen zu müssen, weil auch noch ein Kredit zu tilgen ist. Die Wenigsten kaufen eine Sache, und überlegen sich dann, wie sie an das Geld kommen. Jeder Vernünftige besorgt sich erst Geld, auch als Kredit, und kauft dann.
Dottore hatte immer gesagt, dass Gold in vielen Kulturen keinerlei Wert hatte, es wurde zum beschweren der Fischer-Netze verwendet. Als Gold auf Haiti von Kolumbus unter Strafandrohung (Nase-/Ohren-/Hände-Abschneiden) einmal jährlich verlangt wurde, bekam Gold einen hohen Wert. Ab sofort, musste man, wenn man es besaß, dieses Gold gut schützen, weil es vom Raub bedroht war. Vorher hatte es niemanden interessiert. Erst als es die hohe und erzwungen Nachfrage nach der Ware Baumwolle/Gold durch alle Haitianer gab, konnte man Gold als Tauschmittel für alles verwenden. Geld ist nicht das Tauschmittel, weil man die Arbeitsleistung oder eine Ware haben will, sondern weil Geld das Ziel des Waren- / Arbeitsleistungsanbieters ist und man biete Waren und Arbeitsleistungen an, um das Geld zu erhalten. Denn diese Ware "Geld" muss man bei der Regierung abliefern. Anfangs, in der Urform, als Jagd- oder Ernte-Anteil, später als Getreidekörner oder Metalle, dann irgendwann Münzen und heute Euros. Auf Haiti, wo Steuern erstmalig eingeführt wurden, konnte man das erleben und nachvollziehen. Das Gold und die Baumwolle wurde zum kleinen Teil auf der Insel verwendet. Der größte Teil wurde von Kolumbus nach Spanien zum spanischen König verschickt und war damit "verbraucht". Eine Ware die konsumiert war und gerade deshalb hatten sowohl Baumwolle als auch Gold den hohen Wert. Es herrschte Mangel und alle haben die beiden Waren gesucht, weil sie nicht wollten, dass man ihnen die Nasen abgeschnitten hat, falls sie ohne Geld dastanden.
Heute:
Wenn man fragt, warum Menschen arbeiten oder eine Ware verkaufen, ist es fast immer, weil sie Geld haben wollen. In den wenigsten Fällen hat jemand eine Ware, die ihm im Weg rumsteht, die er deshalb verkaufen möchte. Selten geht jemand einer Beschäftigung nach, die ihm Spaß bereitet, für die er dann noch Geld "aufgedrückt" bekommt.
Nein, es ist ganz klar, dass die Menschen Geld hinterher rennen, weil Geld ein Grundbedürfnis ist. Dieses Grundbedürfnis ist in allen Kulturen immer gleich, es muss Geld beschafft werden, egal was Geld auch immer ist. Abstrakt gesehen passiert immer genau dasselbe.
Wenn man Geld als Schuld-Tilgungsmittel betrachtet, dann betrifft diese Betrachtung einen Zeitraum, der NICHT relevant ist für die Funktionalität von Geld. Zwischen Kaufen und Bezahlen, passiert nichts von Relevanz. Die Tilgung der Schulden nach einem Kauf ist ein technischer Prozess, der in 99,9 Prozent der Fälle ohne Probleme abgewickelt wird.
Das was für die Volkswirtschaft relevant ist: der Beschaffungsprozess von Geld. Also der Abnahmevertrag von Arbeitsleistung, der Warenverkauf (gespeicherte Arbeitsleistung) oder die Kreditaufnahme. Wenn diese relevanten Prozesse abgeschlossen sind, dann kann gekauft werden und dann sollte auch tatsächlich bezahlt werden. Was für den Verkäufer wieder hoch relevant ist, aber nicht mehr für den Käufer. Der Verkäufer steht nämlich unter Druck, das Geld auch tatsächlich zu bekommen und dafür muss er erst mal einen Käufer oder einen Arbeitgeber finden. Und wenn er den Käufer/Arbeitgeber gefunden hat, dann muss dieser auch noch bezahlen. Der Verkäufer (ohne Kredit!) muss keine Schulden tilgen, sondern zunächst muss seine Nachfrage nach Geld befriedigt werden. Jeder vernünftige Warenkäufer hat das Geld (mindestens in sicherer Aussicht) bevor er einen Kaufvertrag unterschreibt. Damit ist die Tilgung der Schulden, aus diesem Kaufvertrag nicht relevant, weil eben ein unkritischer Prozess. Der reine Verkaufsakt von Waren und Arbeitsleistung ist es jedoch sehr wohl kritisch. Frage mal einen Arbeitslosen, wie das ist. Seine Sorge ist Arbeit zu finden und nicht nach dem Finden der Arbeit, dass sein Lohn dann auch bezahlt wird.
Auch die Volkswirte interessiert wenig, ob die Käufer zahlen, also ihre Schulden tilgen können, aber sie interessiert sehr stark, ob Waren verkauft werden oder Menschen Arbeitsplätze besetzen können. Nicht, ob die Arbeitgeber, die Arbeiter am Ende auch bezahlen können. Die Volkswirte gehen davon aus, dass die Schulden bezahlt werden können. Und das ist eben zu 99,9% immer der Fall. Der Debitismus betrachtet etwas, was irrelevant ist.
Und jetzt noch eine praktische Anwendung:
So, da haben wir endlich den Kern:
Also gab es doch diese Abgaben und diese Abgaben verhalten sich exakt wie das was wir heute als Geld bezeichnen. Diese Abstraktion muss man nur einmal gemacht haben, dann wird alles weitere klar.
Natürlich mussten die Gruppen am Anfang von dem abgeben was sie hatten. ABER man kann rückwirkend klar erkennen, dass dieselben Notwendigkeiten des Beschaffungszwangs, mit Geld oder Ernte-Anteilen stets und immer dieselben sind.
Geld ist die Ware, die unter Strafandrohung periodisch wiederkehrend abzugeben ist.
Wie ich gelesen habe, das du Waren mit Geld verwechselst, ist mir die Lust vergangen, weiter zu diskutieren. Deswegen habe ich gestern auch nicht geantwortet.
- Geld gibt es nur im Rechtsstaat. Geld ist eben keine Ware, sondern Schuldentilgungsmittel.
- Waren verlieren mit jeder Weitergabe drastisch an Wert, Geld behält seinen Wert. Ein Dinar ist ein Dinar, egal wie hoch der Silberanteil ist und damit wird die Schuld von 1 Dinar getilgt. Basta.
- das gilt auch und insbesondere für Edelmetalle. Ein Goldnugget mit dem Gewicht von einer Unze ist wesentlich weniger Wert als eine Goldmünze. Das hat man insbesondere beim amerikanischen Goldrausch gesehen, wo von den Händlern Gold als Bezahlung akzetiert wurde 1 Goldnugget für 1 $. Natürlich war das Goldnugget wesentlich mehr wert als 1 $; der $ aber war gesetzliches Zahlungsmittel.
- Waren verlieren ihren Wert mit Zeitablauf. Geld behält seinen Wert
Nein, das ist genau nicht der Fall. Hier kommt der Markt und das für Waren typische Verhältnis von Angebot und Nachfrage ins Spiel.
Wenn Inflation aufkommt, ist Deine Aussage falsch. Dann verliert Geld seinen Wert, teilweise auch nur gegenüber einzelnen Warengruppen. Warum? Weil die Empfänger der Warengruppen nämlich bereits genug von der Ware "Geld" haben. Sie brauchen aktuell kein zusätzliches Geld. Sie sind nicht gezwungen zu arbeiten. Sie könnten es lassen. Aber wenn man ihnen mehr von der Ware "Geld" bietet, als vorher, dann liefert man eben doch. So und nur so entsteht Inflation.
Deflation entsteht, weil die Käufer fast kein Geld mehr haben, und nicht (so viel) für die Waren zahlen können, deshalb sind die Verkäufer gezwungen und auch zähneknirschend bereit ihre Ware für weniger Geld abzugeben oder der Arbeitnehmer kann weniger Lohn verlangen, weil sein Arbeitgeber leider nicht mehr zahlen kann.
Wenn man den relevanten Zeitraum betrachtet, dann wird Geld verständlich. Dottore hat mit seinem "Schuld-Tilgungsmittel-Ansatz", die 0,1 Prozent der Fälle betrachten wollen, in denen Käufe nicht durch Bezahlung abgeschlossen werden. Es geht aber darum, ob Käufe und Arbeitsverträge überhaupt erst zustande kommen. Das ist mit hochgradiger Unsicherheit versehen und deshalb relevant. Es geht nicht um die Erfüllung dieser geschlossenen Verträge, dass ist nahezu irrelevant. Weil es fast immer gut funktioniert und deshalb eher ein technischer Prozess ist.
Klar in den ganz großen Krisen, wird genau diese Schulden-Tilgung und werden die Schulden-Ketten sicher relevant. Aber man kann ein Medium, hier Geld, nicht verstehen, wenn man sich auf den Zeitpunkt beschränkt, der die Ausnahme darstellt. Sondern zum Verständnis für das Wesen von Geld, muss man die Momente betrachten, die es zu 99,9 Prozent der Zeit und der Nutzungsfälle zum Einsatz kommt.
- das kann man auch am Gebrauchtwagenmarkt erkennen, wo ein Auto mit gleichem Alter und gleicem km-Stand wesentlich weniger wert ist, wenn es 5 Vorbesitzer hattte, als wenn es nur 1 Vorbesitzer hatte. Wäre das Auto ein Geldschein, dann hätte es denselben wert, egal, durch wie viele Hände der gegangen ist
- Waren können akzeptiert werden, Geld muss akzeptiert werden.
Nein, das ist doch genau umgekehrt. Waren müssen erst einmal verkauft werden und das Arbeitsleistungs-Angebot muss zu einem angemessenen Preis nachgefragt werden. Wenn das erfolgreich war, gibt es Geld. Der Warenverkäufer möchte Geld, der Arbeitnehmer möchte Geld. Keiner möchte andere Waren, als die Ware "Geld", die man eben später für alle anderen Waren als Tauschmittel verwenden kann.
Es ist doch nicht so, als müsste der Käufer dem Verkäufer das Geld aufdrängen, so nach dem Motto, "Aber Achtung, ich bezahle mit Geld! Das musst Du jetzt akzeptieren." Nein, der Verkäufer erwartet und er gibt seine Ware nur her, wenn er Geld dafür bekommt. Er will nichts anderes. Auch ein Arbeitnehmer will nichts anderes. Für jeden Blumenhändler, wäre es viel angenehmer er könnte seine Arbeitnehmer mit Blumen bezahlen, aber der Arbeitnehmer WILL Geld, keine Blumen, und er muss nicht zur Annahme von Geld gezwungen werden.
Geld setzt einen Rechtsstaat voraus, Waren nicht.
Geld setzt den Zwang voraus, die Ware "X" zu wiederkehrenden Terminen unter Strafandrohung bei Nichtlieferung, abgeben zu müssen.
Geld setzt Eigentum voraus, Waren nicht. Geld ist Eigentum, Waren sind eine Habe.
Nein, das stimmt einfach so nicht. Besitz und/oder Arbeitskraft reichen dafür völlig aus. Wenn der Fischer an der Küste von Haiti einen Fisch gefangen hatte, konnte er ihn gegen Baumwolle oder Gold tauschen. Er brauchte keinen Eigentumstitel. Jeder Mensch kann sich auf der Baumwollfarm als Arbeitnehmer verdingen und Baumwolle als Bezahlung erhalten. Das ist heute mit Euros nicht anders. Und das Euros (also Geld) in diesem Fall nur durch Schulden entsteht, ist eine gänzlich andere Sache. Das liegt nur daran, dass diese Form von Geld die mit Abstand kostengünstigste Variante von Geld ist, die es in der Geschichte der Menschheit bislang gab.
Aus dem Rechtsstaat entstehen Zinsen. Deswegen werden Geldanlagen verzinst, Waren jedoch niemals.
Nein, das liegt an der Straf-Androhung, falls die Abgaben nicht pünktlich bezahlt werden. Bevor Dir die Nase abgeschnitten wird, weil Du nicht bezahlen kannst, borgst Du Dir Gold von Deinem Nachbarn, wenn der was hat. Du versprichst ihm das Gold zurückzugeben, gerne auch etwas mehr, damit er motiviert ist, es Dir zu überlassen. Denn er geht das Risiko ein, dass Du verstirbst und dann im nächsten Jahr seine Nase abgeschnitten wird. Diese Strafe sorgt für den Zins. Nicht der Rechtsstaat. Den gab es bei der Urform von Geld (Jagd- und Ernte-Abgaben) nicht. Die Strafe bei Nicht-Lieferung die gibt es seit dem Beginn des Mafia-Zeitalters.
Auf solche Dödelesdebatten mit Leuten, die nicht einmal den Unterschied von Waren und Geld und Rechtsstaat und Eigentum und Zeit, die abläuft, kennen, habe ich keinen Bock.
Lieber Mephistopheles, ich hoffe, Du konntest bis zum Ende durchhalten. Und ich hoffe, ich habe die richtigen Worte gefunden.
Vielleicht schreibt auch ein anderer Leser mal etwas dazu, ob meine Ausführungen verständlich sind.
Beste Grüße
Morpheus
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Wir - für die unbeschränkbare Freiheit.