Ist die Meinungsfreiheit eine Medizin oder ein Gift?

Nico @, Samstag, 07.10.2017, 21:18 vor 2587 Tagen 2894 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.10.2017, 21:23

Es macht den Anschein, als würde sich so gut wie jeder unserer Zeitgenossen – und das schließt wohl letztlich auch die Politische Klasse mit ein – zu der somit allseits gepriesenen Meinungsfreiheit bekennen, und sie also auch immer wieder aufs Neue bekräftigen. Häufig begegnet man in dieser Hinsicht auch einem Zitat, von dem sich wohl erst in letzter Zeit und auch nur nebenbei bemerkt herum spricht, dass es auch nur fälschlich dem berühmten Denker Voltaire zugeschrieben wird, und das da lautet:

„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“

Erst in letzter Zeit beschleicht mich endlich selbst der Gedanke, dass diese so oder so als Mythos zu bezeichnende Maxime vielleicht aber auch ein Irrweg, wenn nicht sogar eine bewusst gelegte Falle höchster Perfidie sein könnte. Mag es in seinem wahren Wesen gar ein „Terror der Meinungsfreiheit“ sein, welcher seine verheerende Wirkung vielleicht auch erst im Laufe einer lang andauernden Inkubationszeit nun vor unseren Augen entfaltet?

Überhaupt betrachte ich das, was mit dem Begriff der „Freiheit“ immer wieder als ein Ideal besprochen und auch besungen wird, ja selbst nicht als ein solches – zumindest nicht uneingeschränkt. Bedeutet die regelrecht beschworene Meinungsfreiheit also nicht zuletzt auch das Recht, Argumente und Fakten nach Belieben zu ignorieren oder zu verdrehen? Bedeutet die Meinungsfreiheit letztlich einen Freibrief für eine als Meinung legitimierte Lüge? Selbst wenn diese Ableitung nicht einmal logisch zwingend wäre, so könnte die Meinungsfreiheit wenigstens doch auch so verstanden werden, denn schließlich herrscht ja Meinungsfreiheit. Wäre heute nicht vielleicht die Zeit gekommen, dieses süße Gift endlich abzusetzen, oder die Freiheit der Meinungen vielleicht ja einfach damit zu praktizieren, dass jeder die seine gerne für sich behalten darf?

Bedeutet die Negation der Meinungsfreiheit nun aber das Mundverbieten des Einzelnen? Angesichts dieser Frage würde ich zunächst einmal glauben, dass das als Konsequenz niemals der Preis sein dürfte! Allerdings ist das auch nur der Köder, für den wir den Haken der Meinungsfreiheit erst schlucken. Was darf der Einzelne also sagen, schreiben oder singen und was nicht? Auch wenn es kindisch anmuten mag, so darf die Wahrheit niemals verboten sein. So erhob auch schon ein Martin Luther die Wahrheit zum höchsten Ideal als er sagte: „Friede wenn möglich, aber die Wahrheit um jeden Preis“. Die Wahrheit aber ist etwas von Meinungen unabhängiges. Sie steht über der Meinung, und wenn die Meinung von der Wahrheit abweicht, dann ist die Meinung falsch. Wenn die Meinung mit der Wahrheit aber identisch ist, dann ist sie allenfalls nur noch eine vermeintliche Meinung und in Wirklichkeit keine solche mehr, sondern die Wahrheit selbst. So ließe sich nun also auch Fragen, ob die Meinungsfreiheit die Wahrheit letztlich zu einer bloßen Meinung degradiert?

Nachdem man diesen Faden erst einmal am Wickel hat, könnte man nun endlos an ihm ziehen. Was ist die Wahrheit, und woran erkennen wir sie, wäre zu fragen. Welcher gesellschaftliche Mechanismus könnte der Wahrheit zu ihrem Triumph verhelfen? Hier scheinen nur Näherungslösungen möglich, welche an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden sollen. Vielleicht ist alles hier Gesagte auch nur profan, aber die Frage scheint bis zu diesem Punkt weiter im Raume zu stehen, die da lautet: Nähern wir uns mit der Meinungsfreiheit der Wahrheit, oder entfernen wir uns so von ihr?

Sollte unter der Voraussetzung einer abschlägigen Einschätzung in dieser Frage die Meinungsfreiheit also aufgehoben werden? Meine Antwort lautet „ja“! Sie sollte sogar ganz unabhängig von der hier gestellten Frage beseitigt werden, denn von der Rechtsprechung her gibt es die Meinungsfreiheit nur in der Verfassung. In der Verfassung wie im Grundgesetz Art.5 hat eine Meinungsfreiheit aber nichts zu suchen – ebenso wenig wie eine Religionsfreiheit gem. Art. 4. Zunächst sind solche Freiheiten grundsätzlich genauso überflüssig wie eine Singfreiheit, eine Tanzfreiheit oder eine Bodenturnfreiheit, weil wir all das auch ohne die ausdrückliche Zustimmung der Verfassung praktizieren können. Solche so explizit verfassten Freiheiten können aber die allgemeine Gesetzgebung aushebeln, wie im Falle der Religionsfreiheit auch eindeutig aufgezeigt werden kann. Einer darüber hinausgehenden gesetzlichen Beschneidung der praktizierten Meinungsfreiheit würde es aber nicht bedürfen, und sie wäre vermutlich auch kaum zu formulieren. Es sollte aber darüber nachgedacht werden, ob man diesen Begriff der Meinungsfreiheit weiterhin überhaupt noch verwenden, sich auf eine solche berufen und auch verherrlichen möchte – gar noch mit ober-klugen Verweis auf Art. 5. Letztlich darf eine Meinung nur die Phase zwischen der Formulierung einer These und ihrer Falsifikation sein und die Falsifikation muss der These Tod bedeuten. Wir haben das Recht einen Irrtum zu unterliegen, wir haben aber kein Recht auf einen solchen gegen alle Belehrung zu beharren.

[[herz]]

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... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...

Wahrheit

Efímera @, Samstag, 07.10.2017, 22:01 vor 2587 Tagen @ Nico 2186 Views

Es macht den Anschein, als würde sich so gut wie jeder unserer
Zeitgenossen – und das schließt wohl letztlich auch die Politische
Klasse mit ein – zu der somit allseits gepriesenen Meinungsfreiheit
bekennen, und sie also auch immer wieder aufs Neue bekräftigen. Häufig
begegnet man in dieser Hinsicht auch einem Zitat, von dem sich wohl erst in
letzter Zeit und auch nur nebenbei bemerkt herum spricht, dass es auch nur
fälschlich dem berühmten Denker Voltaire zugeschrieben wird, und das da
lautet:

„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie
sie sagen dürfen.“

Erst in letzter Zeit beschleicht mich endlich selbst der Gedanke, dass
diese so oder so als Mythos zu bezeichnende Maxime vielleicht aber auch ein
Irrweg, wenn nicht sogar eine bewusst gelegte Falle höchster Perfidie sein
könnte. Mag es in seinem wahren Wesen gar ein „Terror der
Meinungsfreiheit“ sein, welcher seine verheerende Wirkung vielleicht auch
erst im Laufe einer lang andauernden Inkubationszeit nun vor unseren Augen
entfaltet?

Überhaupt betrachte ich das, was mit dem Begriff der „Freiheit“ immer
wieder als ein Ideal besprochen und auch besungen wird, ja selbst nicht als
ein solches – zumindest nicht uneingeschränkt. Bedeutet die regelrecht
beschworene Meinungsfreiheit also nicht zuletzt auch das Recht, Argumente
und Fakten nach Belieben zu ignorieren oder zu verdrehen? Bedeutet die
Meinungsfreiheit letztlich einen Freibrief für eine als Meinung
legitimierte Lüge? Selbst wenn diese Ableitung nicht einmal logisch
zwingend wäre, so könnte die Meinungsfreiheit wenigstens doch auch so
verstanden werden, denn schließlich herrscht ja Meinungsfreiheit. Wäre
heute nicht vielleicht die Zeit gekommen, dieses süße Gift endlich
abzusetzen, oder die Freiheit der Meinungen vielleicht ja einfach damit zu
praktizieren, dass jeder die seine gerne für sich behalten darf?

Bedeutet die Negation der Meinungsfreiheit nun aber das Mundverbieten des
Einzelnen? Angesichts dieser Frage würde ich zunächst einmal glauben,
dass das als Konsequenz niemals der Preis sein dürfte! Allerdings ist das
auch nur der Köder, für den wir den Haken der Meinungsfreiheit erst
schlucken. Was darf der Einzelne also sagen, schreiben oder singen und was
nicht? Auch wenn es kindisch anmuten mag, so darf die Wahrheit niemals
verboten sein. So erhob auch schon ein Martin Luther die Wahrheit zum
höchsten Ideal als er sagte: „Friede wenn möglich, aber die Wahrheit um
jeden Preis“. Die Wahrheit aber ist etwas von Meinungen unabhängiges.
Sie steht über der Meinung, und wenn die Meinung von der Wahrheit
abweicht, dann ist die Meinung falsch. Wenn die Meinung mit der Wahrheit
aber identisch ist, dann ist sie allenfalls nur noch eine vermeintliche
Meinung und in Wirklichkeit keine solche mehr, sondern die Wahrheit selbst.
So ließe sich nun also auch Fragen, ob die Meinungsfreiheit die Wahrheit
letztlich zu einer bloßen Meinung degradiert?

Nachdem man diesen Faden erst einmal am Wickel hat, könnte man nun endlos
an ihm ziehen. Was ist die Wahrheit, und woran erkennen wir sie, wäre zu
fragen. Welcher gesellschaftliche Mechanismus könnte der Wahrheit zu ihrem
Triumph verhelfen? Hier scheinen nur Näherungslösungen möglich, welche
an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden sollen. Vielleicht ist
alles hier Gesagte auch nur profan, aber die Frage scheint bis zu diesem
Punkt weiter im Raume zu stehen, die da lautet: Nähern wir uns mit der
Meinungsfreiheit der Wahrheit, oder entfernen wir uns so von ihr?

Sollte unter der Voraussetzung einer abschlägigen Einschätzung in dieser
Frage die Meinungsfreiheit also aufgehoben werden? Meine Antwort lautet
„ja“! Sie sollte sogar ganz unabhängig von der hier gestellten Frage
beseitigt werden, denn von der Rechtsprechung her gibt es die
Meinungsfreiheit nur in der Verfassung. In der Verfassung wie im
Grundgesetz Art.5 hat eine Meinungsfreiheit aber nichts zu suchen –
ebenso wenig wie eine Religionsfreiheit gem. Art. 4. Zunächst sind solche
Freiheiten grundsätzlich genauso überflüssig wie eine Singfreiheit, eine
Tanzfreiheit oder eine Bodenturnfreiheit, weil wir all das auch ohne die
ausdrückliche Zustimmung der Verfassung praktizieren können. Solche so
explizit verfassten Freiheiten können aber die allgemeine Gesetzgebung
aushebeln, wie im Falle der Religionsfreiheit auch eindeutig aufgezeigt
werden kann. Einer darüber hinausgehenden gesetzlichen Beschneidung der
praktizierten Meinungsfreiheit würde es aber nicht bedürfen, und sie
wäre vermutlich auch kaum zu formulieren. Es sollte aber darüber
nachgedacht werden, ob man diesen Begriff der Meinungsfreiheit weiterhin
überhaupt noch verwenden, sich auf eine solche berufen und auch
verherrlichen möchte – gar noch mit ober-klugen Verweis auf Art. 5.
Letztlich darf eine Meinung nur die Phase zwischen der Formulierung einer
These und ihrer Falsifikation sein und die Falsifikation muss der These Tod
bedeuten. Wir haben das Recht einen Irrtum zu unterliegen, wir haben aber
kein Recht auf einen solchen gegen alle Belehrung zu beharren.

[[herz]]

Wir haben das Recht einen Irrtum zu unterliegen, wir haben aber kein Recht auf einen solchen gegen alle Belehrung zu beharren.

Dieser letzte Satz gefaellt mir am besten.

Der Begriff Wahrheit ist ofter erwaehnt.

Meine Meinung: Die absolute Wahrheit gibt es nicht. Wer das behauptet, - meine Meinung - luegt schon mal.

Luther als Mensch, bei dem Theologie im Lebensmittelpunkt stand, ist - meine Meinung - nicht qualifiziert, den Begriff Wahrheit fuer seine Thesen zu nutzen, es sei denn, er wusste es nicht besser.

Einem Mathematiker oder Physiker stehe ich zu dem Thema mehr Kompetenz zu, Obwohl Einstein nie ohne Zweifel war, ausser bei der Dummheit der Menschheit.

Die einzige Wahrheit ...

Rainer ⌂ @, El Verger - Spanien, Samstag, 07.10.2017, 23:55 vor 2587 Tagen @ Nico 2020 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 08.10.2017, 00:02

Die einzige Wahrheit besteht darin, dass uns Menschen die Wahrheit verschlossen bleibt. Wir haben nur Meinungen und versuchen diese als Wahrheit zu verkaufen.

Das gilt natürlich auch für meine Aussage.

Rainer

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Die Ächtung der Indoktrination

nemo, Sonntag, 08.10.2017, 00:26 vor 2587 Tagen @ Nico 2018 Views

Wir haben das Recht einen Irrtum zu unterliegen, wir haben aber

kein Recht auf einen solchen gegen alle Belehrung zu beharren.


Hallo Nico,

eine abschließende Wahrheit kann es nicht geben. Einfach deswegen weil
die Wahrheit etwas größeres ist, als der Mensch. Sie ist nach oben offen, so
dass wir uns ihr nur annähern können, ohne jedoch ein endgültiges Fazit
ziehen zu können. Aber genau das tut der Mensch in seiner beschränkten
Bewusstheit. Das Beharren auf dem Fazit ist der Irrtum der zum Dogma
werden kann, mit dem wir seit ewigen Zeiten kämpfen.

Insofern braucht es keine Abschaffung der Meinungsfreiheit, sondern viel mehr
die Ächtung der Indoktrination. Das geht bis zur politischen Korrektheit, die
momentan das gesellschaftliche Dogma darstellt.

Eine Ächtung der Indoktrination bedeutet aber auch, dass jeder für alle
Ewigkeit jedem Irrtum unterliegen darf. Der Irrtum oder die Unwissenheit
ist ein notwendiger Bestandteil der Wahrheit. Jeder hat sowohl das Recht auf
Wahrheit als auch auf den Irrtum. Und das trotz Belehrung.

Aber niemand hat das Recht über andere zu bestimmen. Das scheint mir das
wahre Übel zu sein. Es läuft also wiedermal auf die Machtfrage hinaus. Das
Erstaunliche dabei ist, dass die niederste aller menschlichen Eigenschaften,
das Verlangen andere Menschen in die eigenen Denkmuster zu zwingen,
bis heute nicht als solche wahrgenommen und nur selten hinterfragt wird.

Gruß
nemo

Ein wahrlich genialer Vorschlag:

Loki, Sonntag, 08.10.2017, 08:58 vor 2586 Tagen @ Nico 2010 Views

Wäre heute nicht vielleicht die Zeit gekommen, dieses süße Gift endlich abzusetzen, oder die Freiheit der Meinungen vielleicht ja einfach damit zu praktizieren, dass jeder die seine gerne für sich behalten darf?

Alternativ dazu könnte man einen Vorschlag, der glaube ich mal von Sylvia gemacht wurde, in der BRD einführen und vielleicht logisch noch vervollständigen?

Wer etwas zu sagen hat, soll es sagen,
und wer nichts zu sagen hat, sollte nichts sagen.

Allerdings bräucht's zum Umsetzen all dieser Vorschläge irgendeine Form der Autorität und dann simmer ja schon wieder soweit! Sowas altmodisches geht heute nicht mehr, weil das grenzad ja an Bevormundung und Eingrenzung der meinungsfreien Beliebigkeit? Sowas wäre grausam unseren armen Zöglingen gegenüber (...moment, die werden ja gar nicht mehr erzogen, man müsste für die heutigen Heranwachsenden ein neues Wort suchen... Vielleicht laissez-fairelinge? Oder passt wegen der Zartheit dieses verdrehten Nach-Wuchses der Begriff "Schneeflöckchen" doch besser?)

Wie auch immer: Der Zug für sinnvolle Veränderungen ist m.E. schon lange abgefahren, bzw. die Bombe ist unterwegs, mal sehen, wo sie hochgeht...

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