Frage eines Vaters in Sachen Erziehung an @Literaturhinweis

Oblomow, Montag, 31.07.2017, 21:33 vor 2623 Tagen 4482 Views

bearbeitet von Oblomow, Montag, 31.07.2017, 21:48

Guten Tag,

Blaise Pascal schreibt irgendwo, dass das vornehmste Tun die Erziehung eines Prinzen sei. Aristoteles als Erzieher des Alexander, das ist ja schon ne Sache für sich.

Unlängst war hier die Frage, inwiefern das forcierte und frühe Fortgehen, zumal der Söhne, gut ist für die Reife.

Heute war die Frage im Raum, inwiefern materielles Elend, Entbehrung förderlich ist für das reifere Denken und Tun.

Ich würde als dritten Gedanken ja noch hinzufügen, dass vermutlich das Alleinesein, das Alleinefühlen in früher Kindheit auch dereinst zur reiferen Gedanken führt. Kann mich ooch irren.

Natürlich sind das alles keine ausreichende Bedingungen und sowieso ist alles ne einzigartige Sache. Schon klar. Ich dachte die ganze Zeit an Ihre assertorischen und zugleich begründeten Reflexionen, die stets Ausgangspunkt für eigenes Denken waren. Was nun denken Sie über solche Thesen zur Resilienz und Reife?

Stets lernend grüßt hoffend
Oblomow

Beispiel Montaigne

Langmut @, Montag, 31.07.2017, 21:53 vor 2623 Tagen @ Oblomow 3477 Views

Hallo in die Runde,

laut Wikipedia:

Nach seiner Geburt wurde Montaigne, wie bei reichen Familien üblich, zu einer Amme in einem nahegelegenen Weiler, Papessus genannt, in Richtung Montpeyroux gegeben.[19][20] Als er, etwa drei Jahre alt, zu seiner Familie zurückkam, stellte sein Vater einen aus Deutschland stammenden Arzt mit Namen Horstanus als Hauslehrer ein, der weder Französisch noch Gascognisch konnte und mit dem Kind nur Latein sprach.[21] Da auch die Eltern sich bemühten, dies zu tun und sogar die Bediensteten es versuchen mussten, wurde das Lateinische fast zur Muttersprache Montaignes. Später soll der doctor Horstanus eine Lehrtätigkeit am Collège de Guyenne begonnen haben.[22] Seine Erziehung betrachtete Montaigne selbst als ein Experiment seines Vaters, der nach dem Beispiel des Erasmus von Rotterdam eine humanistische Pädagogik und Erziehungslehre bei ihm anwendet. So sollte sein erster lebender Sohn „mit der lateinischen Sprache, künstlerischen Fertigkeiten und ohne Zwang erzogen, der Familie zu Ansehen und Anerkennung verhelfen“.[23]

Anmerkung:
Kinder werden geboren, um die Erwartungen der Eltern zu enttäuschen.

Es genügt allein Liebe und Güte im Überfluss zum Fordern und Fördern der Zöglinge.

Gruß
Langmut

--
Ich bin recht und das ist auch gut so.

Der Unterschied zwischen schlau und dumm.
Ein schlauer Mensch kann sich dumm stellen.

Arbeit finde ich gut, da könnte ich anderen stundenlang zuschauen. (Diogenes von Sinope)

Ich bin zwar kein Literaturhinweis, aber........

Rotti @, Pampa, Montag, 31.07.2017, 21:56 vor 2623 Tagen @ Oblomow 3477 Views

Servus Oblomow!

Ein nicht vollständig ernst gemeinter Hinweis von mir, wird Dir sicher weiter helfen. [[top]]

M.f.G.
Rotti

--
Ich esse und trinke, also bin ich.

Nicht Alleinsein...

Hyperion @, Montag, 31.07.2017, 22:47 vor 2623 Tagen @ Oblomow 3349 Views

Heute war die Frage im Raum, inwiefern materielles Elend,
Entbehrung förderlich ist für das reifere Denken und Tun.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Elend schädlich ist. Überfluss ist allerdings ebenfalls schädlich. Und beides aus dem gleichen Grund: es verhindert das zielstrebige Arbeiten an und Erreichen von Zielen. Elend aus Mangel an Perspektiven und Möglichkeiten, Überfluss aus Mangel an Anreiz. Das inzwischen auch ganz gut erforschte Zauberwort heißt "delayed gratification" - jetzt auf etwas verzichten, um später mehr zu ernten. Das haben unsere bäuerlichen Vorfahren durch Ackerbau und harte Winter über Jahrtausende gelernt. Noch viel mehr die Chinesen mit dem arbeitsintensiven Reisanbau.

Ich würde als dritten Gedanken ja noch hinzufügen, dass vermutlich das
Alleinesein, das Alleinefühlen in früher Kindheit auch dereinst
zur reiferen Gedanken führt. Kann mich ooch irren.

Auch hier würde ich kleine Abstriche machen - Alleinsein könnte leicht in emotionale Verwahrlosung abdriften. Aus meiner Sicht Bedarf es regelmäßiger positiver Anreize (Ausflüge, Unterricht, Spielzeug, Aktivitäten, Sport, ...) mit Phasen der absoluten Langeweile. Erst in Phasen der Langeweile kann das Kind eine Eigenmotivation entwickeln. Was möchte es wirklich tun? Was macht ihm Spaß? In was ist es gut? Ohne Langeweile macht das Kind nur, was ihm vorgesetzt wird. Insbesondere darf das wertvolle Geschenk der Langeweile nicht durch "Berieselung" wie Fernsehen oder Computerspielen zerstört werden.

Kinder orientieren sich an Vorbildern

Rainer ⌂ @, El Verger - Spanien, Montag, 31.07.2017, 23:57 vor 2622 Tagen @ Oblomow 3140 Views

bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 01.08.2017, 00:06

Kinder kopieren das Verhalten der Alten. Mein Sohn hat schnell begriffen, dass eine Straße ein gefährliches Gebiet ist, weil ich sie immer vorsichtig überquert habe.

Dass es im Leben auch jede Menge unnütze Vorschriften gibt, die es gilt zu unterlaufen, hat er auch sehr schnell begriffen<img src=" />

Daraus hat er ein eigenes Leben aufgebaut.

Insgesamt eine Erfolgsgeschichte[[top]]

Rainer

--
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Es gab schon interessante Threads zum Thema "Söhne/Töchter/Eltern"...

Hasso, Dienstag, 01.08.2017, 19:48 vor 2622 Tagen @ Oblomow 2783 Views

bearbeitet von Hasso, Dienstag, 01.08.2017, 20:00

Lieber Oblomow,
ich vermute rein intuitiv, dass bei Dir zu Hause alles bestens in Ordnung ist und Du nur mal "vorbeugend fragst" und lernen willst.
So habe ich es auch immer gemacht.

@Literaturhinweis ist bei diesem Thema evtl. nicht so sattelfest wie sonst... oder er hat einfach keine Lust mehr. Sehr schade[[sauer]]

Dann müssen wir "Gelben Halb-Experten" eben ganz alleine klar kommen, das schärft aber den eigenen Blick.

Ich erinnere mich an einen sehr interessanten Thread zum Thema "Söhne":
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=315906
(Das war nur meine provozierende Stellungnahme... lies aber bitte den ganzen Thread).

Der gibt Dir vielleicht schon einige Antworten.
Beste Grüße
Hasso

"Normalerweise" wollen die Fortgehen und sich alleine "beweisen". Finde ich auch sehr gesund.

Olivia @, Mittwoch, 02.08.2017, 19:33 vor 2621 Tagen @ Oblomow 2250 Views

bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 02.08.2017, 19:39

Selbst Handwerkersöhne, die den Betrieb des Vaters übernehmen wollten, gingen "auf die Walz". Das ist einfach extrem wichtig, um Neues zu lernen. Die brachten dann oft neue Erkenntnisse und neue Arbeitsmethoden mit. Und das half auch all den "Zurückgebliebenen".

Man sagte ja früher "Lehrjahre sind keine Herrenjahre". Auch den Ausspruch fand ich sehr gesund. "There is no free lunch forever". Das werden auch unsere verwöhnten "Mitgeschöpfe" lernen müssen. Irgend jemand "zahlt" immer. Aber wenn man die Tatsache, dass man "wenig" Geld hat, als "Elend" bezeichnet, dann läuft irgend etwas vollkommen schief. Als "Elend" würde ich lediglich jemanden bezeichnen, der hoffnungslos ist. Gesunde, junge Menschen sind das in der Regel nicht, weil sie über genügend Kraft und "viele Hormone" verfügen. :-))) Die wollen etwas "tun".

Eine "gewisse" Einsamkeit wird auch jeder junge Mensch kennen, wenn er einen Partner sucht und nicht so schnell findet. Aber da müssen die durch. Und es hat keinen Zweck, dies mit Alkohol o.ä. zuzupflastern.

Dass Mädchen ein "Selbstläufer" sind, das kann ich jedenfalls absolut NICHT unterschreiben. Ich selbst war für meine (armen Eltern) zeitweise der absolute Horror, weil sie einfach nicht verstanden, was ich tun "mußte" (aus innerem Drang). Immerhin hat mir das geholfen, auf dem Boden zu bleiben, als mir meine Tochter "Horror" präsentierte. D.h. Verhalten, das ich einfach grauenhaft fand..... nur die Erinnerung an mein eigenes Verhalten und die Reaktion meiner Eltern hat das relativieren können.

Meine Schwestern haben sich teilweise köstlich amüsiert. "Die spricht wie Du...." - und zu meinem großen Erstaunen hat das, was bei uns immer zu einer Auseinandersetzung führte "Küche"..... und von mir mit "Gewalt" durchgeboxt werden mußte, zu ganz erstaunlichen Ergebnissen geführt. "Sie" lebt jetzt in einer Wohngemeinschaft (bürgerlich schlampig) und hat die alle "durchorganisiert" mit "Arbeitsplänen" und entsprechenden "Kämpfen und der notwendigen Zuwendung". Aussage:..... "ich glaube, die haben nie geputzt, es ist eklig"....

Darüber wiederum habe ich mich köstlich amüsiert und freue mich noch heute diebisch.... dass "sie" jetzt den anderen "hinterherräumen" muss. Als sie kürzlich hier war, sagten wir: Ja, dann hat man die Küche sauber aufgeräumt und freut sich am nächsten Morgen darauf, sich ein leckeres Frühstück zu machen....... und DANN hat IRGEND JEMAND.... seinen ganzen DRECK dort stehen gelassen...... "Sie".... ah, das war wohl ich..... "ich".... ja.... "Sie"... aber später habe ich das doch nicht mehr gemacht".... Ich, na ja, es waren auch lange Kämpfe....

Also die Idee von: Nur mit Liebe und ganz viel Freundlichkeit und immer nur geben und machen und tun..... die FUNKTIONIERT GANZ SICHER NICHT!!!!!!!

GRENZEN setzen und Leistungen EINFORDERN...... sind genauso wichtig, sonst funktioniert das Ganze nicht.

Funktioniert bereits bei den Hunden nicht. Wir hatten mal 4 davon. Die lebten im Haus..... wenn die keine "Grenzen" bekommen hätten, dann hätten sie auf allen Möbeln gesessen..... etc. - Aber mit Grenzen konnte man mit allen 4-en leben.

Jetzt habe ich glücklicherweise nur noch eine Hundin. Und die ist sehr koorperativ - im Sommer sehe ich sie kaum.

--
For entertainment purposes only.

Sehr gute Analyse. "Die Walz" war perfekt... Wehrpflicht/Ersatzdienst aber auch

Hasso, Mittwoch, 02.08.2017, 21:11 vor 2621 Tagen @ Olivia 2347 Views

bearbeitet von Hasso, Mittwoch, 02.08.2017, 21:58

Selbst Handwerkersöhne, die den Betrieb des Vaters übernehmen wollten,
gingen "auf die Walz". Das ist einfach extrem wichtig, um Neues zu lernen.
Die brachten dann oft neue Erkenntnisse und neue Arbeitsmethoden mit. Und
das half auch all den "Zurückgebliebenen".

Hallo Olivia,
Deinen Text finde ich sehr gut.
In Erziehungsfragen bist Du für mich jetzt der neue @Literaturhinweis[[top]]
Wir müssen uns seine tolle Arbeit in Zukunft leider teilen... aber das kriegen wir schon hin!

Wenn der Vater keinen Betrieb hatte, gab es "früher" noch die Wehrpflicht/ den Ersatzdienst, was auch fast immer positive Auswirkungen hatte.

Selbst aus dem feucht-fröhlichen Wehrdienst kamen auch die letzten "Schlaffis" ziemlich geläutert nach Hause zurück.
Ich war trotz heftiger Alkoholexzesse beim Bund danach "klar im Kopf" und bereit für ein "richtiges Studium" (TU-Maschinenbau) und eine ziemlich feine Karriere (trotz einfacher Herkunft), weil ich auch so ein toller Typ wie die von mir assistenzmäßig betreuten Marine-/Luftwaffenpiloten werden wollte.

So ging es auch allen meinen Kameraden... einer ist sogar Professor am Robert-Koch-Institut geworden[[top]]
Ich hatte aber eher die DAX-Firmen im Visier.
Keine Ahnung "warum"... wahrscheinlich einfach meine Gier nach dicken Dienstwagen und schönen Zimmerpalmen im Vorzimmer-Bereich[[sauer]]
Das gab es dann alles "satt" und -vielleicht zum Trost für "meine falsche Karriere"?- das rund sechsfache Geld wie bei meinen "alten Bund-Helden" und "in der Luft" war ich auch dauernd[[freude]]

Diese kostenlosen "Erziehungsanstalten" (Walz, Militär, Ersatzdienst) gibt es heute aber alle nicht mehr, weshalb ich tief "schwarz" sehe... nicht nur beim Bummel durch die City[[sauer]]
Jetzt müssen endlich mal die Väter ran... die können ihre ureigensten Aufgaben nun nicht mehr einfach ans Militär delegieren.
Gute Nacht und Danke für dein Posting!
Hasso

Sozialromantik

Otto Lidenbrock @, Nordseeküste, Donnerstag, 03.08.2017, 08:50 vor 2620 Tagen @ Hasso 1990 Views

Wenn der Vater keinen Betrieb hatte, gab es "früher" noch die
Wehrpflicht/ den Ersatzdienst, was auch fast immer positive Auswirkungen
hatte.

Selbst aus dem feucht-fröhlichen Wehrdienst kamen auch die letzten
"Schlaffis" ziemlich geläutert nach Hause zurück.

So ging es auch allen meinen Kameraden... einer ist sogar Professor am
Robert-Koch-Institut geworden[[top]]

Diese kostenlosen "Erziehungsanstalten" (Walz, Militär, Ersatzdienst)
gibt es heute aber alle nicht mehr, weshalb ich tief "schwarz" sehe...

Ich hatte als männlicher Nachkriegsdeutscher auch noch das vermeintliche Privileg, in einer dieser tollen, auf das wirkliche Leben vorbereitenden, mich läuternden "kostenlosen Erziehungsanstalten" gehen zu müssen. Eineinviertel Jahre meines bis dato noch so kurzen Lebens durfte ich beim "Barras" hautnah, live und in Farbe miterleben, was es alles für Menschen gibt und wozu diese fähig sind.

Ein Gutes hat diese Zeit tatsächlich gehabt. Ich verlor innerhalb von wenigen Wochen sämtliche Illusionen, die ich vorher über das Leben und die Menschheit gehabt hatte, die mir von meinen Lehrern in mühevoller Kleinarbeit eingetrichtert wurden. Seither habe ich über Menschen eine völlig andere Meinung und lasse mich nicht mehr so leicht täuschen.

Ansonsten aber war diese Zeit einfach nur schrecklich. Geläutert war ich aber nicht von meiner unfertigen, naiven Persönlichkeit, sondern von meiner Vorstellung, dass Menschen im Grunde altruistische, aufgeschlossene und sozialkompetente Wesen seien.

So viele Arschlöcher, wie ich sie damals kennenlernen musste, habe ich auf einem Haufen tatsächlich niemals wieder gesehen. Es gab nur eine Möglichkeit, diese Zeit psychisch einigermaßen heil zu überstehen: Man musste lernen, täglich sein Gehirn am Kaserneneingang abzugeben, ansonsten lief man Gefahr, einen ernsthaften psychischen Schaden davonzutragen.

Wer das erlebt hat, was ich bei dieser Ansammlung von rohen, primitiven Psychopathen erleben musste, würde mit Sicherheit nicht gefühlsduselig und sozialromantisch von "Erziehung", "Läuterung" und "positiven Auswirkungen" für die Betroffenen sprechen.

Sorry, das musste ich aus meiner persönlichen Sicht an dieser Stelle los werden. Und ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine da, mehr als 100 "Kameraden" würden mir mit Sicherheit beipflichten.

Jedenfalls bin ich sehr froh, dass mein Sohn diese Hölle nicht durchmachen muss!

--
"Eine Gesellschaft befindet sich im vorübergehenden oder finalen Verfall, wenn der gewöhnliche, gesunde Menschenverstand ungewöhnlich wird."

William Keith Chesterton

Auch Gutes haben wir geleistet

Rotti @, Pampa, Donnerstag, 03.08.2017, 09:28 vor 2620 Tagen @ Otto Lidenbrock 1930 Views

Ich hatte als männlicher Nachkriegsdeutscher auch noch das vermeintliche
Privileg, in einer dieser tollen, auf das wirkliche Leben vorbereitenden,
mich läuternden "kostenlosen Erziehungsanstalten" gehen zu müssen.
Eineinviertel Jahre meines bis dato noch so kurzen Lebens durfte ich beim
"Barras" hautnah, live und in Farbe miterleben, was es alles für Menschen
gibt und wozu diese fähig sind.

Ein Gutes hat diese Zeit tatsächlich gehabt. Ich verlor innerhalb von
wenigen Wochen sämtliche Illusionen, die ich vorher über das Leben und
die Menschheit gehabt hatte, die mir von meinen Lehrern in mühevoller
Kleinarbeit eingetrichtert wurden. Seither habe ich über Menschen eine
völlig andere Meinung und lasse mich nicht mehr so leicht täuschen.

Ansonsten aber war diese Zeit einfach nur schrecklich. Geläutert war ich
aber nicht von meiner unfertigen, naiven Persönlichkeit, sondern von
meiner Vorstellung, dass Menschen im Grunde altruistische, aufgeschlossene
und sozialkompetente Wesen seien.

So viele Arschlöcher, wie ich sie damals kennenlernen musste, habe ich
auf einem Haufen tatsächlich niemals wieder gesehen. Es gab nur eine
Möglichkeit, diese Zeit psychisch einigermaßen heil zu überstehen: Man
musste lernen, täglich sein Gehirn am Kaserneneingang abzugeben, ansonsten
lief man Gefahr, einen ernsthaften psychischen Schaden davonzutragen.

Wer das erlebt hat, was ich bei dieser Ansammlung von rohen, primitiven
Psychopathen erleben musste, würde mit Sicherheit nicht gefühlsduselig
und sozialromantisch von "Erziehung", "Läuterung" und "positiven
Auswirkungen" für die Betroffenen sprechen.

Sorry, das musste ich aus meiner persönlichen Sicht an dieser Stelle los
werden. Und ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine da, mehr als 100
"Kameraden" würden mir mit Sicherheit beipflichten.

Jedenfalls bin ich sehr froh, dass mein Sohn diese Hölle nicht
durchmachen muss!

Servus Otto Lindenbrock!

Meine Grundwehrdienstzeit möchte ich nicht missen. 1989/90 habe ich als W15 meine Dienstzeit abgeleistet. Neben dem Erlernen von Ordnung und Sauberkeit, waren es genau, die von Dir kritisieren Punkte, die einen auf das Leben vorbereiteten. Man lernt, dass entgegen der Schulweisheiten, der Mensch eben nicht nur gut und edel ist.
Zeitsoldaten wurden von uns Wehrpflichtigen i.d.R. als "Zivilversager" angesehen. Es mag pauschalierend sein, aber ein gewisses Maß an Wahrheit steckt sicher dahinter.[[freude]]
Mein persöhnliches Fazit sieht wie folgt aus:

- Die Welt kann hässlich sein
- es gibt so Sachen wie Krieg
- um einen Krieg zu verhindern, muss man wirksam abschrecken können
- Humanismus sollte nicht gleichbedeutend mit naiv und dumm sein

Während meiner Dienstzeit ging in Ungarn der eiserne Vorhang auf.
Im Sommer 1989 überrollten uns dann die Ereignisse. Stationiert war ich als Panzerfahrer (Leopard 1) in Waldstatt bei Kirchham in Niederbayern. Über Nacht haben wir damals unsere Kaserne für die ankommenden Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR hergerichtet. Unsere Stuben haben wir ausgeräumt und vom Rest des Kompaniegebäudes abgesperrt. So wurde das bei zwei Panzerbatallionen gemacht. Im Laufe des Tages kamen dann die Menschen mit Bussen und Trabis am Standort an und bekamen ein vorübergehendes Notquatier. Sie waren dann ca 2 Wochen hier, bis der Staat was besseres hatte....................
Für mich war das eine unvergleichliche Erfahrung, man hat sozusagen ein historisches Ereignis hautnah miterlebt. Daran kann ich nichts schlechtes sehen.

M.f.G.
Rotti

--
Ich esse und trinke, also bin ich.

Alles sehr lange her... aber ein bisschen "selber Schuld" hattest Du schon...(@Oblomow)

Hasso, Donnerstag, 03.08.2017, 18:59 vor 2620 Tagen @ Otto Lidenbrock 1797 Views

bearbeitet von Hasso, Donnerstag, 03.08.2017, 19:31

Hallo Otto,
da bist Du ja in einer ganz grässlichen Truppe gelandet...[[sauer]]
Meine Luftwaffen-Truppe war eigentlich "total vornehm" und nur auf die gemeinsame Aufgabe konzentriert, wenn man die häufigen, aber sehr lustigen Besäufnisse mal außen vor lässt[[freude]]
Unsere jungen Chefs (egal ob Piloten oder nicht) hatten zu 90% durchaus Vorbild-Charakter, denen wir bedenkenlos nacheifern konnten.[[top]]
Als "Aufpasser für Krisenfälle an der DDR-Grenze" waren auch brit. Offiziere dabei, die sehr nett und ohne "Dünkel" mit uns kleinen Dienstgraden redeten. Erste int. Erfahrungen gab es also auch, sehr wertvoll für "später".[[top]]

Aber Du hast vorher vermutlich keine Eigeninitiative gezeigt, denn "unsere Jahrgänge" wurden doch überall beim Bund mit Handkuss genommen.
Wir konnten uns doch alles aussuchen... siehe Dieters Posting zum Thema:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=439844

Mein Freund (der spätere Robert-Koch-Professor[[top]]) und ich wollten "was mit Flugzeugen" machen, möglichst dicht dran.
Also gingen wir einfach mal zu einer entsprechenden Truppe in der Heimatstadt und wurden sofort ins "Personalbüro" eskortiert.
Dort sagten wir unser Sprüchlein auf: "Haben total Lust auf Arbeit mit/an Flugzeugen... am liebsten F104G und F4E".
Und schon waren wir fest eingestellt, der Rest wurde für uns geregelt.
Haben uns gleich für zwei Jahre verpflichtet... damit wir 24 Monate lang mit Geld zugeschmissen wurden[[top]]

Der Lohn für diese Eigeninitiative waren viel Geld und eine sehr lehrreiche, durchaus komfortable Zeit mit echten Aufgaben.
Die Zeit verging "wie im Fluge". Das spätere Studium war schon mal fett vorfinanziert.

Es kommt eben -wie immer- auf den Einzelfall an.

@Oblomow:
Wichtig an dieser Kurzgeschichte ist auch heute noch, dass die jungen Leute eben Eigeninitiative zeigen müssen, sonst ergeht es ihnen wie Otto[[sauer]]
Das müssen die Eltern ihren Kindern unbedingt rechtzeitig beibringen!
Beste Grüße
Hasso

Wir wollen Sonne statt Reagan, ohne Rüstung leben....

Oblomow, Donnerstag, 03.08.2017, 22:48 vor 2620 Tagen @ Hasso 1560 Views

@Oblomow:
Wichtig an dieser Kurzgeschichte ist auch heute noch, dass die jungen
Leute eben Eigeninitiative zeigen müssen, sonst ergeht es ihnen wie
Otto[[sauer]]
Das müssen die Eltern ihren Kindern unbedingt rechtzeitig beibringen!
Beste Grüße
Hasso

Lieber Hasso,

ja ein aus sich selbst drehendes Rad wie der gute Fritz aus Röcken meinte. Leider ist mancher Sohn ein Lahmarsch und mancher einfach sowas von aktiv. Da steckt man irgendwie nicht drinnen. Ich hab' übrigens Zivildienst gemacht und gehörte zu denen, die 20 Monate machen mussten kurz vor Ende des kalten Kriegs. Habe Ärsche von alten Menschen abgeputzt und Skat mit alten Zausels gespielt, die mir vom Krieg erzählten, z.B. wie sie mit Spaten in Russland Köpfe im Kampf abtrennten.

Herzlich und Prost. Ich liebe die trocknen Weißen aus der Pfalz.
Oblomow

ot: schlaffe Zeit

Dieter, Donnerstag, 03.08.2017, 10:49 vor 2620 Tagen @ Hasso 1911 Views

Wenn der Vater keinen Betrieb hatte, gab es "früher" noch die
Wehrpflicht/ den Ersatzdienst, was auch fast immer positive Auswirkungen
hatte.

Selbst aus dem feucht-fröhlichen Wehrdienst kamen auch die letzten
"Schlaffis" ziemlich geläutert nach Hause zurück.


Hallo Hasso,

da habe ich andere Erfahrungen: Beim Abschlußgespräch Musterung wurde mir offeriert, ich könne mir aussuchen, wohin und in welche Waffengattung ich gehen möchte. Daraufhin habe ich kurz entschlossen die Luftwaffe gewählt. Insofern bezieht sich meine Aussage nur auf die Luftwaffe damals.

Es war insgesamt die schlaffeste Zeit meines Lebens. Drill oder ähnliches habe ich nicht wahrgenommen. Möglichkeiten sich vor unangenehmen Dingen zu drücken gab es reichlich, auch in der Grundausbildung. Mein längster Marsch während der Bundeswehrzeit war z.B. 3km lang. Wenn ich wollte, wurde mir das Essen auch in die Stube gebracht, bin aber lieber in die Kantine gegangen, damit ich wenigstens etwas Bewegung bekam.
Nach der Grundausbildung nur noch mehr Langeweile, die auch zu der tiefen Einsicht führte, daß arbeiten deutlich besser ist als rumzuhängen.

Während der Zeit fragte ich mich immer, wenn so viele junge Kerle (alles Abiturienten) so blöd rumhängen, wieso läßt man die nicht mal was ordentliches arbeiten während der Dienstzeit, also irgendwelche Dinge reparieren oder mal ein wenig Pflaster ausbessern, oder Rasen mähen, oder, oder, oder. Statt dessen war die Hauptschwierigkeit, wie man die Zeit totschlägt.

Also von ordentlicher Schule fürs Leben in Deinem Sinne habe ich nichts wahrgenommen. - getrunken wurde bei uns übrigens nicht. Da ging jeder seines Weges, ein paar haben sogar in der Freizeit nebenbei einen Flugschein gemacht und sind mit ner kleinen einmotorigen zur Feier nach Abgabe der Bundeswehrsachen nach Hause geflogen.

Gruß Dieter

Romantik versus coincidentia oppositorum

Oblomow, Mittwoch, 02.08.2017, 22:46 vor 2621 Tagen @ Olivia 2081 Views

bearbeitet von Oblomow, Mittwoch, 02.08.2017, 22:58

Also die Idee von: Nur mit Liebe und ganz viel Freundlichkeit und immer
nur geben und machen und tun..... die FUNKTIONIERT GANZ SICHER
NICHT!!!!!!!

GRENZEN setzen und Leistungen EINFORDERN...... sind genauso wichtig, sonst
funktioniert das Ganze nicht.


Liebe Olivia,

by the way (Pardon Monterone): ich liebe Ihre mitunter schnoddrigen und stets humorigen Texte. Und als Frühmorgensschwimmerin achte ich Sie sowieso arg.

Mitunter den Arsch zu geben, nutzt nachhaltig (widdderlich dies Wort) schon nen Ticken hier und da. Mein Alter, der gewiss kein Trottel war, hat stets Distanz gewahrt. Es ist eben so, dass ich meinen Kinners Befehle geben kann, diese mir aber nicht (Putzt jetzt die Zähne!). Dass muss man immer im Auge behalten.

Jaja, wie äußert sich die Liebe. Die Romantik hat da manchen das Hirn verklebt. Und die meisten vertrotteln, besonders Männer haben da irgendwie Potential, romantischen Blödsinn auf den Leim zu gehen.

Die Walz hatte ich ooch schon im Sinn. Mannomann, waren die klug. Übrigens auch die Walz, um ne nette Tante kennenzulernen und mit nach Hause zu bringen, sodass der Genpool etwas aufgefrischt wurde.

Danke für die Lichter, die sie mir aufgesteckt haben, grüßt glücklich nach dem ersten gelungene Hühnersuppenkochen ( mit Knobi, Ingwer und Kurkuma)

Oblomow

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