Von Dollar-Crash kann keine Rede sein
Verstehen tue ich es auch nicht ganz. Was jedoch klar ist, daß wir es mitnichten mit einem Dollar-Crash zu tun haben. Vielmehr sind wir mit einem wahnwitzigen Anstieg des Euros konfrontiert. Hintergrund könnten die Ereignisse um den 06.11.2024 sein. Sofort mit der Wahl Trumps ist der Euro regelrecht abgestürzt. Was wir im Moment sehen, ist die Gegenreaktion. Es ist normal, daß eine solche Gegenreaktion eine ähnliche Range abdeckt wie der ursprüngliche Auslöser.
Beim Währungen beurteilen machen viele den Fehler, sich die Schwankungen der Währungspaare anzuschauen und daraus Schlußfolgerungen abzuleiten. Nichts könnte irreführender sein.
Um einzelne Währungen beurteilen zu können (nicht Währungspaare wie EUR/USD), müssen wir uns immer den normalisierten Wert einer Währung vor Augen halten. Die großen Investment-Banken halten dazu spezielle Charts vor, die manchmal auch den Weg in die Öffentlichkeit finden. In der Regel bleiben sie jedoch verborgen.
Hier sind sie für US-Dollar und Euro. Sie stellen den Wert einer einzelnen Währung dar, ohne Verzerrungen durch Cross-Rates. Ein steigender Kursverlauf bedeutet einen steigenden Wert der jeweiligen Währung. Dies sind sogenannte Währungs-Index-Charts, sie stellen den normalisierten Wert einer Währung gegenüber einem Währungskorb aller anderen wichtigen Währungen dar. Der Währungskorb besteht aus den weltweit wichtigsten 6-7 Währungen und die Betonung liegt hier auf wichtig, nicht vollständig. Für die Wertberechnung einer Währung ist z.B. die Cross-Rate zur Türkischen Lira eher unwichtig, da das monatliche Handelsvolumen TRY/USD im Vergleich zu anderen Währungen vernachlässigt werden kann.
Spielt EUR/USD also verrückt, hilft ein Blick auf USD-Index und EUR-Index, um herauszufinden, wer wirklich abstürzt oder steigt. In diesem Fall wird sofort klar, daß es nicht der Dollar ist, der fällt, sondern daß der Euro gerade irrwitzig steigt. Beide Charts zeigen den selben Zeitraum (September bis heute).
Wie werden sie berechnet? Es sind Index-Charts, d.h. ihr Wert wird als relativer Index der Währungen zueinander berechnet. Der nominale Wert hat überhaupt keine Bedeutung. Wichtig: das Ergebnis ist kein innerer Wert einer Währung, es ist ein reiner Performance-Index. Ich habe dazu in einem meiner GitHub-Projekte umfangreiche Formeln veröffentlicht. Bei Interesse bitte hier entlang:
ICE futures indexes, synthetic currency indexes and custom baskets
Verschiedene Banken benutzen verschiedene Berechnungen, Unterschiede gibt es in erster Linie bei der Gewichtung der einzelnen Komponenten. Das Ergebnis ist im Grunde jedoch immer ähnlich: wir zerlegen die Schwankungen der Cross-Rates in ihre einzelnen Komponenten und führen diese Komponenten dann in einem synthetischen Instrument zusammen, das nur die einzelne Währung abbildet. Nicht ganz unähnlich einer Frequenzanalyse, wo ich durch einen Filter nur die mich interessierenden Bestandteile herausfiltere.
PS auf Nachfrage: Kann man so einen Index handeln?
Natürlich. Der ICE-Index kann direkt gehandelt werden. Doch auch synthetische Indizes können gehandelt werden, selbst wenn kein Broker der Welt einen SGD-Index (Singapure-Dollar) anbietet. Allerdings ist die Berechnung eines Baskets, der nur eine einzelne Währung abbildet, nicht ganz trivial. Dazu muß man zwischen Kurzfrist-Trading (Daytrading) und längerfristigem Trading unterscheiden.
Bei Kurfrist-Spekulation kann man das Rebalancing des Währungsbaskets ignorieren, da die entstehende Imbalance im Verhältnis zur Dauer des Exposures gering ist.
Bei längerfristigen Anlagen muß man den gehandelten Basket regelmäßig re-balancieren, z.B. einmal je Woche. Zu häufiges Rebalancieren erhöht die Transaktionskosten unnötig, zu seltenes Rebalancing bringt den Basket aus dem berechneten Gleichgewicht.
Konkret sieht das so aus: Will ich nur den US-Dollar kaufen, muß ich genau kalkulierte Mengen von USD/CAD, USD/CHF, USD/JPY kaufen und genau kalkulierte Mengen von AUD/USD, EUR/USD und GBP/USD verkaufen. Die Bestandteile von CAD, CHF, JPY, AUD, EUR und GBP sind dabei so berechnet, daß sie sich genau ausgleichen und nur das Exposure zum US-Dollar übrigbleibt. Damit dieser Ausgleich gültig bleibt, müssen die Bestandteile regelmäßig tariert werden.