Schreiben nach Hören
Lieber Kaladhor,
vor etwa 14 Jahren wurde in den Schulen "Schreiben nach Hören" eingeführt.
Die Kinder sollten so schreiben, wie sie sprechen, den Eltern wurde verboten, falsche Worte zu korrigieren.
https://deutsches-schulportal.de/unterricht/sollte-schreiben-nach-gehoer-abgeschafft-we...
Meine Tochter kam genau zu dieser Zeit in die Schule. Für sie war es ein Desaster. Obwohl wir nahezu keinen Dialekt sprechen, war es ihr nicht möglich, die Transferleistung vom gesprochenen Wort zum geschriebenen Wort zu erbringen.
Sie entwickelte eine ausgewachsene Legasthenie.
Sie mußte dann noch während der Grundschule zum Schreibtraining bei der Awo, hatte dort Einzelstunden, monatelang.
Heute studiert sie, ist sich noch immer in der Rechtschreibung unsicher, liest auch andere Dinge als auf dem Blatt stehen. Sie weiß es glücklicherweise, liest daher langsam und prüft immer den Zusammenhang, ob das Gelesene Sinn ergibt.
Das ständige Schreiben auf dem Handy, bei dem Rechtschreibung vollständig gleichgültig ist, ist dabei nicht hilfreich.
Spannenderweise studiert sie englische Literatur, liest sehr sehr viel auf englisch und hat hier keinerlei Probleme.
Vermutlich wird das Lesen und Schreiben der Muttersprache in einem anderen Gehirnbereich verarbeitet als das einer später erlernten Sprache.
Allerdings haben wir mehrere Legastheniker in der Familie, keinen davon hat das so benachteiligt, daß er nicht im Beruf erfolgreich war.
Mittlerweile ist dieser Quatsch wieder abgeschafft.
btw: Ich hab in der Grundschule über Monate nur Mengenlehre gelernt, nicht rechnen. Rechenkönig, wie Ältere berichtet haben, gabs bei uns nicht. Ich hab heute noch Probleme, die Schönheit der Mathematik zu erkennen.
Beste Grüsse
Rain
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Der Rechtsstaat ist wie die Luft: Unsichtbar aber essentiell.