Der Jurist seufzt ...

LePenseur ⌂, Dienstag, 13.02.2024, 17:02 (vor 242 Tagen) @ BerndBorchert1616 Views

(hoffentlich sieht das Kollege Schlegel nicht als unangemessene Ausdrucksweise an ... [[zwinker]] )

Geschätzte Kollegen "Informatici",

was Wisnewski in seinem Statement repliziert, geht am Thema vorbei. Es ist - spätestens seit der Promulgation des CIC von 1917 - eindeutig, daß ein Papst zurücktreten kann. Mir persönlich gefällt die (obwohl inhaltlich faktisch idente) Formulierung des CIC 1917 besser als die des CIC 1983, denn sie macht die Sache noch klarer (die Latinität der Curia Romana hat seit den Zeiten eines Leo XIII oder eines Kardinals Gasparri merklich abgenommen, und seit dem Vat.II sowieso ...)

CIC 1917, Can. 221
Si contingat ut Romanus Pontifex renuntiet, ad eiusdem renuntiationis validitatem non est necessaria Cardinalium aliorumve acceptatio.

CIC 1983, Can. 332
Si contingat ut Romanus Pontifex muneri suo renuntiet, ad validitatem requiritur ut renuntiatio libere fiat et rite manifestetur, non vero ut a quopiam acceptetur.

Die Formulierung "ad eiusdem renuntiationis validitatem non est necessaria Cardinalium aliorumve acceptatio" ist mE prägnanter - aber das ist vielleicht auch bloß Geschmackssache eines Hobby-Latinisten ...

Ich weiß nicht, ob ich mich angesichts der Argumentation Wisnewskis tatsächlich aufraffen soll, meinen CIC83-Kommentar auszugraben - ich habe an sich mit meiner Kanzlei so eine kleine Nebenbeschäftigung und eigentlich wenig Lust, mich mit Sedisvacantismus-Diskussionen zu belasten, die erfahrungsgemäß nur unerquickliche Endlos-Diskussionsschleifen ziehen.

Eines noch will ich kurz in die Diskussion einbringen: der CIC ist nicht die einzige Rechtsquelle der Römisch-Katholischen Kirche! Wisnewski negiert bspw. komplett die Apostolische Konstitution "Universi Dominici gregis" von Johannes Paul II aus dem Jahr 1996.

Hier steht völlig eindeutig die Bestimmung in Kapitel I:

3. Praeterea statuimus, ne Cardinalium Collegium de iuribus Sedis Apostolicae Romanaeque Ecclesiae ullo modo disponere valeat, nedum de iis sive directe sive indirecte quidquam detrahat, quamvis agatur de componendis discidiis aut de persequendis factis adversus eadem iura perpetratis, post Pontificis obitum vel validam renuntiationem. (Hervorhebung LP)
In der odffiziellen deutschen Übersetzung des HL. Stuhls:

Außerdem bestimme ich, daß das Kardinalskollegium in keiner Weise über die Rechte des Apostolischen Stuhles und der Römischen Kirche verfügen kann; und noch weniger darf es von diesen Rechten direkt oder indirekt etwas preisgeben, selbst wenn es dabei um die Beilegung von Streitigkeiten geht oder um die Ahndung von Handlungen, die gegen diese Rechte nach dem Tode oder dem gültigen Amtsverzicht des Papstes vorgenommen worden sind.

Sowohl im lateinischen Original, wie auch in allen Übersetzungen wird in der Fußnote auf Can 332 § 2 CIC 1983 verwiesen.

Wenn man nicht davon ausgeht, daß JP II ein völliger kanonistischer Ignorant war (und alle seine Berater, unter ihnen Kanonisten höchsten Ranges und Ansehens, die sprichwörtlichen Gurkenscheiben auf den Augen hatten!), dann kann das nichts anderes heißen, als daß der damals zweifellos rite et recte regierende Papst die Möglichkeit einer renuntiatio anerkennt und für mögliche Folgerungen daraus legistisch vorsorgt.

Ich weiß: es ist nicht leicht, eine Fehlinterpretation einzugestehen, wenn sie einem so schön ins Konzept paßt. Fiele auch mir nicht leicht. Aber irgendwann sollte einem halt doch dämmern, daß man sich auf dem Holzweg befindet ...

Nochmals: weder war ich vom Amtsverzicht Benedikts angetan (ich habe damals hier ausführlich meine Gründe dargelegt, noch bin ich vom Papa Franz begeistert - also wirklich nicht! Aber das berechtigt mich (und auch niemanden sonst) zu völlig willkürlicher Interpretation von Rechtstexten, nur weil das einem ein "Argument" zu schaffen scheint.

--
LePenseur


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