Paul C. Martin: "Re: Jedem (Neu)Anfang wohnt ein Zauber inne, Herrmann Hesse"
Hallo BerndBorchert
Paul C. Martin:
Eine einfache Darstellung folgt hier (Copyright liegt bei einer deutschen Schülerin):
Die Währungsreform bestand aus zwei Teilen, die getrennt betrachtet werden müssen.
1. Die Umstellung von Guthaben und Forderungen auf die neue Währung DM.
2. Die Ausgabe von neuem Geld (DM statt RM).
Beides war eigentlich nicht nötig gewesen. Andere Staaten, die in den II. Weltkrieg als Verliererstaaten verwickelt waren, haben keine Währungsreform gemacht, sondern ihr altes Geld auch weiterhin behalten: Italien, bis zur Einführung des Euro, und Japan bis heute.
Mit anderen Worten: Die Reichsmark hätte weiterhin gelten können. Preise und Löhne wären mit entsprechend vielen Nullen erschienen. Die Lira, die noch vor dem II. Weltkrieg so viel wert war wie ein Schweizerfranken, war bis zu ihrem Aufgehen im Euro nicht mehr als einzelnes Geldstück vorhanden. Ein Cappuccino kostete zuletzt 3000 Lire. Vergleichbar hätte eine Tasse Kaffee in Deutschland im Jahr 2000 dann 4000 oder 5000 Reichsmark gekostet.
Der Yen, der vor dem II. Weltkrieg so viel wert war wie ein US-Dollar, hat noch mehr Nullen erhalten. Eine Hausfrau geht in Tokio noch heute mit mehreren 100.000 Yen in der Tasche zu normalem täglichem Einkauf. Wäre die Reichsmark beibehalten worden, würden wir also heute nur mit mehr Nullen rechnen, genauso wie wir inzwischen rund 2 Mark in einen Euro umrechnen: Genauso gut könnten wir sagen, dass sich alle Löhne, Preise, Guthaben usw. durch die "Währungsreform" mit dem Euro "halbiert" haben.
Die Umstellung einer Währung in Form des Streichens von Nullen spielt also keine wirkliche Rolle.
Warum kam es dann doch zur deutschen Währungsreform? Der Grund war einfach: Im Dritten Reich waren die Preise vom Staat "eingefroren" worden. Die Waren wurden nicht mehr über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage verteilt (hohe Nachfrage = hoher Preis, hohes Angebot = niedriger Preis usw.), sondern mit Hilfe eines staatlichen Zuteilungssystems mit Hilfe von Lebensmittelkarten.
Der wichtigste Punkt der Währungsreform war nicht die Einführung eines neuen Geldes, sondern die Freigabe der meisten Preise mit dem "Gesetz über die Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform" (24. 6. 1948). Allerdings waren zunächst noch Grundnahrungsmittel, Agrarprodukte und die meisten Rohstoffe von der Preisfreigabe ausgenommen. Bei Textilien und Schuhen wurde nur der staatlich festgesetzte Höchstpreis aufgehoben, nicht aber die Zuteilung (Rationierung).
Dies wurde erst nach und nach gelockert, womit die Währungsreform dann in eine allgemeine Wirtschaftsreform mit freier Preisbildung mündete (sog. "Marktwirtschaft"), die dann die Grundlage für den großen Wirtschaftsaufschwung der 50er Jahre legte, die unter der Bezeichnung "Wirtschaftswunder" bekannt ist.
Die Umstellung von Guthaben, Forderungen usw. ( sogenannte "Schuldverhältnisse") erfolgte mit dem Satz 10 RM = 1 DM, wodurch sich nichts Wesentliches änderte. Man konnte mit der DM jetzt allerdings mehr (oder überhaupt) Waren kaufen, die bisher wegen des staatlichen Preisstopps zurückgehalten worden waren und nunmehr auf den Markt drängten.
Der zentrale Punkt der Währungsreform war die Ausgabe von neuem Geld, das nicht einfach 10 zu 1 umgetauscht wurde, sondern das zusätzlich in den Umlauf kam. Diese Vorgehensweise wird "gesetzliche Geldschöpfung" genannt (vgl. 1. - 3. Neuordnung des Geldwesens in den Geschäftsberichten der BdL 1948 und 1949). Der Staat druckte also neues Geld, das durch nichts "gedeckt" war.
Geld kann durch Zweierlei gedeckt sein: Entweder durch eine Ware, meistens ist das Gold ("Goldstandard") oder durch ein Papier, das einen Kredit verbrieft. d.h. ihn einklagbar macht (sogenannter "Kreditgeldstandard"). Heute haben wir keinen Goldstandard mehr, sondern einen reinen Kreditgeldstandard: Die Deckung unseres Geldes sind meistens staatliche Schuldpapiere, die der Staat über Steuereinnahmen eines Tages zurückzahlen muss. Unsere Euros, die heute umlaufen sind also durch Steuern gedeckt, die Morgen oder Übermorgen vom Staat eingenommen werden.
Eine Golddeckung kam bei der Währungsreform von 1948 nicht in Frage, weil Deutschland nach dem verlorenen Krieg so gut wie keine Goldreserven mehr besaß. Im letzten Reichsbankausweis, der bekannt ist (7. März 1945) betrug der Gold- und Devisenbestand nur noch 77 Mio. RM, was weniger als 20 Tonnen Gold entsprach. Die Bundesbank hat heute Goldreserven von fast 3500 Tonnen.
Eine Deckung durch Staatspapiere war auch nicht möglich, weil der Staat infolge des Krieges zahlungsunfähig geworden war (sog. "Staatsbankrott"). Die Banknoten der Reichsbank (RM) hatten 1945 einen Wert von 56,4 Mrd. RM, dazu kamen Einlagen der Banken bei der Reichsbank von 16,7 Mrd. RM. Die "Deckung" dieses Geldes waren fast ausschließlich Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen, also sofort fällige Schulden des Reiches (70,2 Mrd.). Diese Schuldpapiere waren wertlos, weil das Reich nach 1945 so gut wie keine Steuereinnahmen mehr hatte und außerdem unter Militärverwaltung stand.
Dieses Dilemma der fehlenden Staatseinnahmen und daraus folgenden Wertlosigkeit der Staatspapiere wurde in Deutschland nicht so gelöst wie in Italien und Japan, die damals so taten als hätten die staatlichen Schatzwechsel und unverzinslichen Schatzanweisungen doch einen Wert. Deutschland ging einen anderen Weg und gab für 6,8 Mrd. DM aus (was in etwa der bereits erwähnten Umrechnung von 10 zu 1 entspricht), die vor allem als Kopfgeld (2,8 Mrd.) und "Dotationen" an die öffentliche Hand (Länder und Gemeinden usw. mit 3,6 Mrd.) gegeben wurden.
Technisch lief es so ab: Die BdL gab dem Staat die 6,8 Mrd. in Form von neu gedruckten Banknoten, die durch nichts "gedeckt" waren. Diese Übergabe von Banknoten der BdL an den Staat war aber kein Geschenk an den Staat, sondern der Betrag wird bis heute in der Bilanz der Bundesbank als sog. "Ausgleichsforderung" geführt. Diese Forderung verzinst sich seit 1948 mit 1 % pro Jahr und ist inzwischen auf ca. 4,4 Mrd. Euro angewachsen.
Dieser Betrag muss vom Staat ab 2005/06 an die Bundesbank, die Nachfolgerin der BdL zurückgezahlt werden!
Das heißt: Das Geld, das bei der Währungsreform von 1948 von der BdL über den Staat als Kopfgeld oder als Dotation an die öffentlichen Hände ausgegeben wurde, werden wir in Form von höheren Steuern wieder dorthin zurückgeben müssen, von wo es gekommen ist. Die Bundesbank wird die Banknoten in Form von Euro-Scheinen entgegennehmen und - verbrennen.
Die Währungsreform von 1948 wird also tatsächlich erst in etwa zwei bis drei Jahren endgültig abgeschlossen sein.
Ende des Textes. Just so ist es, war es und wird es sein. Was dazu in Schulbüchern steht, ist Mumpitz.
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=218950
Gruß - Ostfriese