Ich verstehe das durchaus...
... ich analysiere ja auch nur.
Mein Großvater war (auch) durch den ersten Weltkrieg traumatisiert, gab dies an seine Kinder weiter, diese an die nächste Generation. Erst die Generation meiner Kinder ist vergleichsweise traumafrei aufgewachsen. (Bis jetzt).
Meine Großeltern wurden auch aus Schlesien vertrieben, meine Eltern (und teilweise ich) sind unter den Kommunisten aufgewachsen, auch eine spezielle Erfahrung.
Aber die fanatischsten Kämpfer sind keinesfalls die Opfer von früher, sondern junge radikalisierte Leute. Menschen die eben ohne Trauma aufgewachsen sind, denen die Erdung fehlt, die teilweise ihre Vorfahren hassen, weil denen in der Nachkriegszeit alle Schuld in die Schuhe geschoben wurde (man könnte das allerdings als Trauma der Nachkriegsgeneration auffassen, sie wurden offiziell in ein Schuld-Volk hineingeboren, woran sie extrem zu kauen haben).
Versuch mal, in einem normalen Forum irgendeinen Zusammenhang zum zweiten WK zu erklären, dann bist du i.d.R. wegen Nazi-Verdacht schneller gesperrt, als dir jemand antworten kann. Nur ein Bruchteil der Forenten besitzt die Größe, sich die Argumente anzuschauen, vom Rest schlägt dir blanker Hass entgegen, kombiniert mit Unterstellungen und der unverkennbaren Message: hier ist ein Feind! Einer vom fremden Rudel! Ein Böser, ein Nazi! Vernichtet ihn!
Und genau das: der Nazi-Verdacht, ist ein Beispiel für diese rigorose Kategorisierung, die ich meinte. Diese falsche Dichotomie zwischen gut und böse. Gerade so, als ob ein Mensch nur total richtig oder total falsch liegen könnte, nur gut oder nur böse sein. Es ist infantil, aber bemerkenswert große Kreise in Deutschland denken genau so. Und ich habe mich gefragt, warum.
Überwiegend mag ich Deutsche, weil sie sanft sind und eigentlich nichts Böses wollen.
Es ist sogar noch schlimmer: sie wollen nicht nur nichts Böses, sie wollen nur Gutes! Und dabei schießen sie dann gerne mal weit übers Ziel hinaus (gut gemeint vs. gut gemacht), weil es bei der Problemanalyse hapert.
Die "Reeducation" hat das mit ihrer Verteufelung der Nazis nur verstärkt. Statt den psychologischen Fehler zu erklären, dass nämlich die Nazis auch nur "das Gute" wollten, aber eben mit stark verengtem Fokus, hat man die Nachkriegsdeutschen auf Symbole und Rudelerkennung trainiert, so dass der selbe Fehler wieder begangen wird, in dem verzweifelten Versuch, diesmal aber wirklich "das richtige Gute" zu tun. Man rennt vermeintlich in die Gegenrichtung und erkennt nicht, dass man es wieder genauso hemmungslos übertreibt.
Daß sie sich auf die Seite der Obrigkeit stellen, ist für viele überlebenswichtig, daß sie alles glauben, liegt an ihrer Ehrlichkeit.
Ja, das hatte ich ja auch so ähnlich geschrieben. Dank der Rigorosität hat man kaum eine andere Wahl. Es ist ebenso schwierig, dem bürokratischen Perfektionismus zu entgehen, wie der sozialen Überwachung seiner Mitmenschen. Spätestens bei Corona ist das sehr vielen schmerzlich bewusst geworden.
Immerhin hat man auch gesehen, wie weit wir schon degradiert sind. Die Impf- und Testgesetzgebung usw. war lückenhaft und lange Zeit recht leicht auszutricksen, also weit davon entfernt, perfekt durchorganisiert zu sein (da waren die Schweizer m.W. sehr viel gründlicher, im negativen Sinne).