Die Mehrheit hält Geld natürlich für Zwang, aber ...

nvf33, Freitag, 12.05.2017, 14:55 (vor 2741 Tagen) @ Andudu2375 Views

... aber die Nöte mit dem Verstand der Mehrheit sind nun nicht mehr ganz neu <img src=" />

Rührt die (verleugnete) Meinungsdiktatur womöglich aus dem Verzicht der
Regierungen auf offenen und überzeugten Gewalteinsatz?

... Regierung setzt doch Gewalt ein, was sonst ist die Polizei? Die
öffentliche Ordnung muss gewährleistet sein, sonst gibt es auch keine
Meinungsfreiheit (leider ist das nur Voraussetzung, keine Gewähr).

Ja, aber sie geht nicht guten Gewissens damit hausieren. Und der subtile Punkt, auf den ich hinaus wollte ist der, dass eine Beziehung zwischen Gewaltbejahung und Meinungsfreiheit besteht. Nachhaltig wird die aber offenbar nur dann, wenn mit der Gewalt nicht eine Meinung, sondern die Möglichkeit zur Meinungsfreiheit erkämpft wird. Dem ist bei uns heute nicht mehr so, und das ist m.E. ein Problem, dass mittelfristig das Prinzip Geld und damit den Kern jeglicher modernern Gesellschaft angreift.
Spengleristen werdem das als naturnotwendig erachten, aber warum dem m.E. nicht so ist, siehe unten.

...

Schatten fürchtet, zugleich aber ein wohldiszipliniertes zahlreiches Heer
zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat, kann das sagen, was ein
Freistaat [..ohne König] nicht wagen darf: räsonniert, soviel ihr
wollt, und worüber ihr wollt, aber gehorcht!
..."[/i]

... Kant wurde vermutlich von der frz. Revolution und insbesondere von der
Terrorherrschaft Robespierres stark beeinflusst. Robespierre hatte die
Macht, war aber kein Adliger, was für die damalige Zeit, na ja, halt eine
Revolution war ..
Das Geschwafele von der Gleichheit usw. war ebenso unerhört für die
damalige Zeit, in der noch Gottesgnadentum angesagt war, kann aber kaum
verdecken, dass die Revolution weder demokratisch noch rechtsstaatlich war.
Sie war (ähnlich wie später die Kulturrevolution in China) größtenteils
Terror und endete in einer Diktatur. Einer weltlichen bzw. nicht-adeligen.

Der Text von Kant stammt von 1784, also von vor der frz. Revolution. Das "Geschwafele" von Gleichheit hat ja gerade mit dem Text von Kant überhaupt nichts zu tun, er verlangt ja sogar nach moderner Monarchie, um Meinungsfreiheit und damit die Entwicklung der Menschheit zu ermöglichen. Ich glaube, dass den wenigsten dieser Punkt in voller Schärfe aufgefallen ist, bei dem ganzen Revolutionsgetöse kurz danach.

... Eine Demokratie, ... kennzeichnet (oder sollte es zumindest) ja gerade, dass das "räsonieren" rückwirkt in die Politik, dass "gehorchen"
(zumindest in der Folge) also obsolet wird. Womit sich das Paradoxon
auflöst...

Das ist der Punkt. Und die Frage ist, wo die Grenzen dieser "Rückwirkung" liegen. Unsere lieben Regierungsgesichter simulieren diese Rückwirkung aber nur, und sie verleugnen, dass Demokratie einen nicht vom Gehorchen befreit. Gruppenmeinungen können nicht mal theoretisch identisch mit Individualmeinungen sein.

...
Die Regierung zieht (oder versucht es) schon sehr deutliche Grenzen um
ihre Ideologie...

Aber sie tut es nicht, indem sie es durch die Ihr vom Volk gegebene Macht rechtfertigt (durch funktionsfähige Befehlsketten in Polizei und Heer z.B.), sondern indem sie simuliert, es gäbe "keine Alternative".

...

Aus diesem Grunde frage ich mich, ob die Wirksamkeit des Geldes eher in
Vertrauensbereitschaft gemessen werden sollte, anstatt in physisch
vollstreckbaren Zwängen (d.h. Schulden oder Steuerzwänge etc. wie der
Debitismus lehrt). ..


Meines Erachtens versteigst du dich da philosophisch etwas. Machen wir
einen Realitätscheck: wen, der Geld nicht als "Zwang" ansieht und deshalb
unter Druck gesetzt wird, kennst du?

Kennst Du das Märchen "Des Kaisers neue Kleider"? Wir laufen immer deutlicher auf eine Lage zu, in der nicht mehr Mehrheit schützt, sondern die Wahrheit - und sei es nur, um angesichts des grassierenden Irrsinns nicht zu verzweifeln. Selbst den härtesten Apokalyptikern und "Preppern" dämmert derweil, dass es keinen wirklichen Ersatz für Vertrauen gibt. Ohne ein Minimum an Vertrauen ist direkt und endgültig Feierabend. Wenn der Glaube an das gewaltgedeckte und damit kontrollierbare Geld vordergründig noch so wahr sein mag, so schützt er nicht existenziell. Keine Armee der Welt kommt mit reiner Angst als Kontrollmittel aus. Ängstliche Krieger taugen nichts im Vergleich zu den überzeugten.

Noch ein bedenkenswertes Zitat von James Burnham von 1947 (S. 246), wie die Sache ohne Vertrauen (welcher Art auch immer, und sei es in den Kommunismus) endet:
" ... The military leadership would be disoriented by the inability of their plans based on technical superiority to effect a decision. The failure to conceive the struggle politically would have given the communists the choice of weapons. From the standpoint of the United States, the entire world would have been turned into an ambush and a desert. In the long night, nerves would finally crack, the sentries would fire their last shots wildly into the darkness, and it would all be over...."


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