Theoretisch einfach, praktisch sehr schwer zu lösen

Weiner, Sonntag, 16.04.2017, 17:39 (vor 2733 Tagen) @ Falkenauge8711 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 16.04.2017, 18:34

Hallo Falkenauge,

vielen Dank für Deine Frohbotschaft zu Ostern. Ich darf einen Versuch machen, die ganze Sache aus anderer, vielleicht nüchterner Perspektive anzugehen.

Wir können die Wirklichkeit einteilen in drei Ebenen: (1) massebehaftete, also schwere, träge, relative langsame und harte Materie; (2) Energie, die die Materie in Bewegung hält sowie zwischen materiellen Teilchen vermittelt, etwa durch Felder, Photonen, Neutrinos - letztere allesamt schnell und leicht, also wenig massebehaftet); (3) transzendente Strukturen wie etwa das Gravitationsgesetz oder die Zahlenkörper und ihre Proportionen, auch gewisse 'Ideen' sowie die ganzen Regeln und Resultate der materiellen und energetischen Entwicklung des Weltprozesses.

(1) ist eine Untermenge von (2), insofern die kleinsten massebehafteten und beständigen Teilchen 'nur' aufgerollte Energien sind (Elektron und Positron als rechts- bzw. linksdrehend rotierende elektromagnetische Felder). (2) wiederum ist nur eine Untermenge der Transzendenz (3), die die eigentliche, aus unserer intellektuellen Sicht rein abstrakte Basis von (1) und (2) ist. Raum und Zeit gibt es nur für (1) und (2), die Welt der Erscheinungen, (3) dagegen ist 'ewig': wir nehmen ja an, dass das Gravitationsgesetz in jeder Ecke unseres Universums gilt, und zwar vor 10 Mia. Jahren genauso wie jetzt oder in 10 Mia. Jahren.

Wichtig: Nicht nur das Allgemeine (also das zitierte Gravitationsgesetz oder der 'Goldene Schnitt' als Entwicklungsstruktur usw.) sondern auch das ganz Individuelle, etwa ein bestimmter Himmelskörper oder ein Kristall oder ein ganz individuelles Lebewesen oder eine jede Persönlichkeit ist in gewisser Weise in der Transzendenz repräsentiert, hat dort eine 'ewige' korrespondierende Existenz - sonst könnte es sie in der Welt der Erscheinungen nicht geben.

Im Judentum war Jesus nicht der Erste, der 'auferstanden' ist. Vor ihm wurden gemäß den israelitischen Schriften bereits Henoch und Elia 'von Gott direkt zu sich genommen', ohne dass sie gestorben wären. Desgleichen gibt es auch in anderen Kulturen und Religionen die Vorstellung und Erfahrung, dass ein Mensch das 'ewige Leben' oder 'Unsterblichkeit' o.ä. (die Begriffe wechseln) erlangen könne. Ich nenne nur wenige Beispiele (sie ließen sich vermehren): etwa die Idee vom "Regenbogenkörper", die im Dzogchen gebraucht wird, um das Ende eines langen Prozesses der Umwandlung zu bezeichnen, der mit der Auflösung der materiellen Körpers in Licht endet. Ich darf erinnern, dass Jesus seinen engsten Jüngern dieses Stadium der Entwicklung gezeigt hat, siehe sog. Verklärungsgeschichte, und dass das Grabtuch von Turin ein Bild zeigt, das nur durch Strahlung - eben im Moment der Auferstehung - entstanden sein kann. Castaneda, wenn man ihm trauen möchte, hat beschrieben, wie sein Lehrer mitsamt dessen ganzer Schamanentruppe sich vor seinen Augen in Licht aufgelöst hat. Im Indischen wird dieser Prozess als Moksha, bei den islamischen Sufis als Fana bezeichnet: Er strebt das Herauslösen einer Person aus dem materiellen und energetischen Kontinuum der Erscheinungswelt an. Und es wird dabei gleichzeitig nach dem Anker gesucht, mit dem alles Sein - und auch jeder von uns - in der Transzendenz 'festgehalten' und wahrhaft gegründet ist. Hat man einmal diesen Anker gefunden, dann kann man kommen und gehen - sofern man bestimmte Regeln beachtet und die Welt so akzeptiert, wie sie ist.

Auferstehung ist somit der Gegenbegriff zur Schöpfung, ganz wie (Wieder-) Geburt das Gegenteil von Tod ist. Die beiden letztgenannten bewegen sich in (1) und (2), die erstgenannten überschreiten die Grenze der Transzendenz nach bzw. von (3).

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Soweit die Theorie. Zur Praxis lässt sich hier nichts schreiben, doch ist es aus dem Gesagten zwingend, das der- und diejenige, die den Zustand der Auferstehung erreichen wollen, systematisch sowie Stück um Stück alle Bezüge zur Welt auflösen sowie andererseits den Kontakt zur Transzendenz BEWUSST und mit INTENTION stärken und ausbauen müssen. Jesus hat mit seinem Leben und Verhalten sowie mit seiner Lehre dafür ein Beispiel geben wollen. Er wollte zeigen, dass es möglich ist - und wie man es erreichen kann. Das ist der Kern des Wortes: der Welt ersterben - gemäß dem Sprichwort "Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, verdirbt, wenn er stirbt." Der Sinn des Wortes "die Schuld der Welt auf sich zu nehmen" liegt darin, alles in die eigene Verantwortung herüber zu ziehen. Denn bei sich kann man es dann 'auflösen' (etwa durch ein Verzeihen), während man in allen anderen Maßnahmen (Herstellung von Gerechtigkeit) immer an der Welt 'kleben' bleibt.

Es ist richtig, dass kein anderer 'Religionsstifter' so oft nach seinem <Tode> anderen Menschen erschienen ist wie Jesus. Von Mohammed gibt es nur ganz wenige glaubwürdige Bezeugungen, er hat vermutlich (weil seine Lehrer Judenchristen waren) den gesamten Prozess gar nicht verstanden. Von Buddha wird gesagt, dass er inkarnieren würde, doch bedeutet das etwas anderes. Jesus dagegen hat seinen Jüngern und Jüngerinnen bis auf den heutigen Tag versprochen, dass er bei ihnen sein werde. Doch zielt seine Unterstützung nicht darauf, sie zur retten oder die Welt zu ändern sondern mit Hilfe des Lebensweges, den jeder Geborene hat, sich aus der Welt herauszulösen. Gemäß dem zentralen Wort, das er gegenüber Pontius Pilatus ausgesprochen haben soll: Mein Reich ist nicht von dieser Welt.

Weiner


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