Donald Trump – Twitter – Jean Baudrillard

Ostfriese, Dienstag, 31.01.2017, 18:56 (vor 2805 Tagen) @ Ashitaka5907 Views
bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 31.01.2017, 19:15

Hallo Ashitaka,

ich erlaube mir – auch wenn schon alles gesagt und der Faden fast durch ist – ausgehend vom Fernsehen …

Bin hier grade im Trumpland (CA) und die Masse an Widerstand ist
eindrucksvoll. Im TV wird schon diskutiert, wie man ihn unter Kontrolle
bekommt.


Scheingefechte, Irreführungen und Festhalten an der Simulation.

und

Allerdings wird im Fernsehen auch mehr über
den Widerstand berichtet. Bei uns wird der Widerstand in Dresden

diffamiert

und es wird fast nicht mehr über Demos berichtet bzw. es wird von
Rechtspopulisten gesprochen. Es war unklug von Trump, die Medien gegen

sich

aufzubringen. Sie schlagen natürlich jetzt massiv zurück.


Quatsch. Die werben doch nur für ihn und das Chaosprogramm, welches
gewünscht wird.

… auf die strategische Bedeutung der sozialen Medien – insbesondere von Twitter – für Trump hinzuweisen.

Mir geht es nicht um die Position von Frau Dr. Wehling, sondern um die Werkzeuge der Psychologie zur Beeinflussung der Massen – um: Was läuft da eigentlich ab? Es geht um das Verständnis des Ganzen aus der Sicht von innen – um meine ‚Deutungsversuche’.

In Talk im Hangar-7: Präsident Trump: Mutiger Macher oder gefährlicher Blender? spricht sie über die Rolle von ‚Twitter‘ als mediales Handwerkzeug zur Beeinflussung der Massen – sie spricht über die drei Komponenten der Twitter-Strategie von Trump.

00:13:00 bis 00:15:00

1. „Er benutzt Twitter als eine Form der ‚Meinungserhebung‘ also mit einem riesigen natürlichen Zugriff auf die Gesellschaft testet er auf Twitter seine neuen Slogans und Schlagworte. Zum Beispiel hat er letzte Woche getestet den ‚arne boy of carrick‘, da hat er gemerkt, dass da nichts passiert und hat er wieder fallen gelassen. ‚Cooking hillary‘ hat er auch so angetestet, das hat super funktioniert. Er ist clever, er nimmt Twitter als eine Form, um in die Köpfe der Menschen hineinzuschauen.“

2. „Er nutzt Twitter, um von unangenehmen Storys abzulenken, die ihn und seine Politik betreffen. Beispiel Meryl Streep – da gab es die ganze Debatte um Russland und Putin. Was hat er gemacht? Er hat einen riesigen Twitter-Krieg ausgerufen mit Meryl Streep, die eine völlig überbewertete Schauspielerin ist, Hollywood usw. Das ist so eine Art von Verstreuung, dass die Leute schnell mal woanders hinschauen, wenn es ihm nicht passt, dass sie auf seine Sachen gucken.“

3. „Indem er schnell und viel twittert, setzt er ganz oft die sprachlichen Deutungsrahmen für eine Situation oder eine Angelegenheit und kommt damit natürlich der Presse und anderen Medien zuvor und hat damit im Zweifelsfall, wenn andere politische Kräfte in der Schnelligkeit nicht mitziehen. Da hat er natürlich immer die Deutungshoheit, die er mit klassischen Medien so schnell nicht so erreichen könnte.“

Ich denke, dass das die Ideen- und Gedankenwelten von Jean Baudrillard sind.

Die Bilder- und Informationsflut, die Donald Trump in den ‚sozialen Netzwerken‘ erzeugt, sind nicht nur visuell, sondern auch taktil. Die Tweets der Nutzer, die auf Trump antworten, werden nun von seinen Beratern ausgewertet. Es erfolgt aber keine individuelle Rückkopplung von Trump zu seinen Nutzern. Die Inhalte der zurückgesendeten Botschaften finden vielmehr Verwendung, um seine politischen Meinungen und Maßnahmen im Sinne der strengen Ideologie zu modulieren. Diese können – wenn es sein muss – auch wieder teilweise zurückgeführt werden nach dem Motto: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Die Tweeds stellen ‚Tests’ dar – sie betäuben die Nutzer, da sie sie in ihrer Fülle und ihrer Schnelligkeit überhaupt nicht mehr differenzieren können. Er unterwirft die ‚Masse‘ einem ständigen Referendum:

„Sie [die Massen] drücken sich nicht aus, sie werden befragt. Sie denken nicht nach, sie werden getestet. Das Referendum (und die Medien sind ein Dauerreferendum mit gesteuerten Fragen und Antworten) ist an die Stelle des politischen Referenten getreten. Nun haben aber Umfragen, Tests, Volksabstimmungen oder Medien keine repräsentative, sondern nur noch eine simulative Dimension. Sie sind nicht mehr auf einen Referenten ausgerichtet, sondern auf ein Modell.“

Das schreibt Baudrillard vorausschauend auf den Seiten 26/27 vor mehr als 35 Jahren in ‚Im Schatten der schweigenden Mehrheiten‘ vor dem Zeitalter der modernen digitalen sozialen Netzwerke. Samuel Strehle formuliert prägnant in dem Wortspiel (S. 69): „Das Referendum […] ist an die Stelle des politischen Referenten getreten.“ Dazu sind die sozialen Netzwerke hervorragend geeignet. In ‚Der symbolische Tausch und der Tod‘ nimmt Baudrillard die Ergebnisse der heutigen Kognitionsforschung schon vorweg (S. 124): „Und was die Antwort der Befragten an die Befrager angeht, der Indianer an die Ethnologen, der Analysanden an den Analytiker – man kann sicher sein, dass die Zirkulation hier perfekt ist: Die Befragten werden immer zu dem, wozu die Frage sie macht und drängt.“

Was die Massen über die sozialen Netzwerke 'freiwillig' zurückgeben, steht im Dienste der Politik und der Flexibilisierung der Macht. Die massenmediale Kommunikation von Trump hat zu guter Letzt nur eine Richtung – sie ist nur eine Vereinnahmungstechnik. Die Antworten dienen ausschließlich der Festigung von Macht – sie sind ‚Nichtkommunikation‘ und eine ‚Rede ohne Antwort‘. Es gilt erst recht, was Baudrillard in dem ‚Requiem für die Medien‘ schon vor 45 Jahren formuliert hat: „Die Macht gehört demjenigen, der zu geben vermag und dem nicht zurückgegeben werden kann.“ Die sozialen Netzwerke stärken die Macht fester denn je. Ist das nicht ‚das perfekte Verbrechen‘ – die Machthalter rauben die Möglichkeiten der Menschen widerstandslos und wir fühlen uns wohl dabei? Die Feststellung von Paul C. Martin von vor langer Zeit, dass die modernen Machtsysteme von der Bevölkerung nicht mehr aus den Angeln zu heben sind, bleibt verstärkt gültig.


Herzlichst,

Ashitaka

Gruß Ostfriese


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